Wer dieses Jahr auch nur ein Konzertticket gekauft hat, wird nicht schlecht gestaunt haben: Huch, ganz schön teuer! Gestiegene Energiepreise, Inflation, Personalmangel – all das hat die Ticketpreise sowohl für kleinere Künstler*innen als auch für große Stars gehörig zulegen lassen.
Für den Ticketverkäufer CTS Eventim ist das Jahr 2022 eines der besten seit Langem: Mit einem erwarteten Umsatz von 1,7 Milliarden Euro geht das Unternehmen davon aus, dass 2022 sogar ein noch besseres Geschäftsjahr werden könnte als das präpandemische 2019. Nun ist es nicht verwunderlich, dass der Umsatz steigt, wenn die Preise steigen, aber bei Eventim klingeln die Kassen auch netto: Nach Angaben des Unternehmens stieg der Gewinn in den ersten neun Mo
en neun Monaten des Jahres 2022 um 51 Prozent im Vergleich zu 2019. Auch in dieser Hinsicht könnte es demnach ein Rekordjahr werden.Für viele Musiker*innen hingegen wurde das ersehnte „Nachholjahr“ 2022 zur Katastrophe: Nach wie vor werden ganze Tourneen abgesagt – aufgrund schleppender Ticketverkäufe. So verschoben etwa Tocotronic mehrere für den Oktober geplante Konzerttermine aufgrund schlechter Vorverkäufe. Das tut lesbar weh: „Im Augenblick sind die Vorverkäufe zu schwach, als dass sich eine Durchführung der Tour für die Clubs, die örtlichen Veranstalter*innen, uns und unsere Crew gerechnet hätte“, teilte Frontmann Dirk von Lowtzow mit.Wie also erklären sich die Gewinne bei Eventim? Eine Theorie: Weil sich viele Menschen nach den Durstjahren 2020 und 2021 ihr Konzerterlebnis unbedingt gönnen wollen, schlagen halb-monopolisierte Konzertveranstalter und Ticketverkäufer zu. Ein Beispiel dafür ist auch der Wirbel um die jüngst bekannt gegebene US-Tour von Taylor Swift, die erste seit knapp fünf Jahren. Circa 2,4 Millionen Menschen stürmten ab Vorverkaufsbeginn das Onlineportal des Anbieters Ticketmaster, der von einer „historisch beispiellosen Nachfrage“ sprach. Die Tickets kosteten umgerechnet zwischen 44 und 432 Euro. Auf eBay werden die nunmehr vergriffenen Karten aktuell für 1.000 Euro und mehr weiterverkauft, vereinzelt wurde sogar von Preisen bis zu 22.000 Dollar berichtet. Das veranlasste die US-Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez dazu, zu twittern, dass Ticketmaster ein Monopol habe und nie mit seinem einstigen Kontrahenten, dem Veranstalter Live Nation, hätte fusionieren dürfen.Eventim wickelt 80 Prozent der Ticketverkäufe abAuch der deutsche Anbieter Eventim gilt einigen als zu mächtig. Etwa 80 Prozent der Ticketverkäufe im Rock- und Popbereich laufen hierzulande über das Unternehmen mit Sitz in München. Über die Jahre hat Eventim zudem zahlreiche Konzerthallen und Veranstalter aufgekauft, kontrolliert also auch die angrenzenden Geschäftsbereiche. 2015 ermittelte deswegen bereits das Bundeskartellamt, 2017 untersagte es Eventim die Übernahme einer weiteren Konzertagentur.Aufgehalten hat das Eventim nicht: Zuletzt übernahm das Unternehmen etwa die regionalen Anbieter Kölnticket und Bonnticket, verkauft mit der neuen Sparte „Eventim Travel“ Konzertbesucher*innen gleich die Übernachtung zur Veranstaltung mit und bietet für viele Konzerte schon länger nicht mehr einfach nur Steh- und Sitzplätze, sondern VIP-Packages für 400 Euro und mehr an. Beworben wird das alles als großer Service für die Fans. Dabei zeichnet sich schon jetzt ab, dass ein Konzerterlebnis für viele kaum mehr bezahlbar sein wird. Baut Eventim diese Marktmacht weiter aus, wird es bald noch seltener bezahlbare, kleinere Konzerte geben, dafür umso mehr Stadion-Pop mit Rundum-sorglos-Paket und Tickets im Klassensystem.Was tun? Für einen Boykott ist Eventim längst zu mächtig. An dem Anbieter kommt niemand vorbei, der gern Livemusik sieht. Es bleibt: Resignation. Oder: Zerschlagung.