Kennen Sie das? Sie sind zu Besuch bei einem befreundeten Pärchen. Plötzlich entfacht ein Beziehungsstreit. Er hat das gesagt, sie hat das gesagt – oder sie, sie; er, er, wie auch immer. Dann folgt Level zwei des Pärchenstreits: Der Schulterschluss mit der dritten Person. Fängt gern so an: „Siehst du, er macht das immer!“ Schlimmstenfalls fällt die Floskel: „Sag doch auch mal was.“
In diesen Momenten will man unsichtbar werden. Streit unter Paaren ist das normalste der Welt, dennoch gehört es sich nicht, die Sphäre des Privaten zu durchbrechen. Es ist, als sähe man Fremden zu, wie sie sich die Zehennägel schneiden. Diese Menschlichkeit, diese Durchschnittlichkeit. Pfui!
Ist es dann noch Mut oder schon Leichtsinn, die Konflikte der Paarbeziehung gar in aller Öffentlichkeit zu besprechen? Eben das haben sich Bestsellerautorin Charlotte Roche und ihr Mann Martin Keß mit dem Podcast Paardiologie zum Ziel gesetzt. Schonungslos wollen sie über ihre zwölfjährige Ehe sprechen. Über Höhen und Tiefen. Diesen Freitag wurde die dritte Folge veröffentlicht, 15 sind geplant.
Es ist Roches Disziplin: Schon in Feuchtgebiete war ihr Rezept der Bruch mit der privaten Sphäre bis zur Ekelgrenze. Der Leser wurde geradezu psychoanalytisch herausgefordert: Will ich damit konfrontiert werden, mit diesem widerlich Normalen, das ich so mühsam verdränge, verstecke? Das machte den Reiz aus. Mit Paardiologie könnte ihr Ähnliches gelingen. Allein: Es geht nicht nur um sie. Ihr Partner, der Unternehmer Keß, der die Öffentlichkeit bislang mied und sein Gesicht nicht in der Zeitung sehen will, wirkt in den Gesprächen zurückhaltend. Während Roche hörbar Freude hat, Intimes zu verplaudern, bleibt er oft still. „Sag ruhig, hört ja keiner“, säuselt Roche. Stille.
Nicht nur das macht es zuweilen unangenehm, zuzuhören. Bislang drängt sich der Eindruck auf, das Paar hätte mehr Tiefen als Höhen zu besprechen: Paartherapien, Alkoholismus, Streite und die Überwindung der Eifersucht, wenn der Partner fremdgeht. Trotz allem, so meinen sie, lieben sie sich und sagen sich das auch, on air. Noch schön oder schon schaurig?
Der Wahnsinn ist, was Menschen in eine Beziehung investieren können, die unerträglich scheint. Wir nennen das „Liebe“. Eine Ideologie. Im Spiegel-Interview sagte Keß zum Podcast: „Die Leute werden hoffentlich nicht auf uns blicken und sagen: Die sind total schrecklich.“ Die Interviewer hakten nach: „Warum sollten sie? Sind sie schrecklich?“ Roche antwortete: „Wir sind wie alle.“ Eben.
Kommentare 7
es gibt eine viel-erprobte methode,
bestimmte un-angenehme eindringlichkeiten
nicht zum teil des eigenen lebens zu machen:
sich nicht mal tangential berühren lassen.
Obwohl ich den sonst auch nicht toll fand, hier zitiere ich gern Herrn Domian: »Bitte bleib dran, ich stellen dich jetzt zu unseren Therapeuten durch.« Ich würde mich freuen, wenn nicht sämtliche Medien Roches Ekel-Produkte imem wieder bewerben würden!
Sorry – aber ich halte die von den Vorrednern erhobenen Vorwürfe für wenig substanziell. Sicher kann man geteilter Meinung darüber sein, ob man sich die exhibitionierte Privatsphäre anderer Leute gibt, ob man solches überhaupt »gut« findet, oder ob man die öffentliche Figur Charlotte Roche im Konkreten als den »Knaller« betrachtet oder eben nicht.
Der Vorwurf des Schielens auf kommerziellen Erfolg ist zwar stets der Standard, wenn ein Künstler, der einem nicht in den Kram passt, Medienresonanz erhält. In der Praxis ist mir allerdings kaum ein deutscher Kultur-Promi bekannt, der für das, was er für seine Mission hält, derart konsequent das finale Karriere-EDEKA in Kauf genommen hat wie die (vom Viva-Darling beim Eigenproduktions-Podcast gelandete) Roche. Man kann’s so oder so finden (ich persönlich brachte bereits bei »Feuchtgebiete« nicht das genügende Interesse auf). Allerdings: Obwohl ich jetzt nicht der totale Fan bin, bin ich doch froh, dass es derartige Künstler gibt, die derart für ihr Ding »brennen« – eine Eigenschaft, die übrigens völlig unkompatibel ist mit der herrschenden Business-Denke.
Darüber hinaus halte ich auch die Thematiken, die Roche konstant mit unterschiedlichen Medienformaten angegangen ist, für einen gelungen-subversiven Tiefschlag gegen die herrschende neoliberale Kultur des Schönen Scheins, der Etikette und der von oben gesetzten Tabus. In diesem Sinn: eine originäre Künstlerin, die sicher Besseres verdient hat, als hier wohlfeile Haue zu kriegen mit den Argumentebeständen aus der »Rudi’s Reste Rampe«.
Guten Tag! Ich habe eine Weile gebraucht, Das so zu sehen wie ebend beschrieben.Sie hatte mal das Zeug zum philosophischen Diskurs und zum Denken.Charlotte Roche hat für mich den Duktus, wenn es eng wird Öffentlichkeit und jetzt mal vermutet- Geschäfte Ihres Mannes laufen schlecht, vielleicht muss deshalb die Öffentlichkeit her.
Es gab mal ein sehr gutes Interview in der Emma mit FrauSchwarzer, Das hatte ich sehr gerne gelesen und war auch sozusagen weltsichterweiternd. Dann gab es eine schriftstellerische Entwicklung, Diese war im Verlauf niederschmetternd,finde ich.Ich habe den Vergleich z.B. zu Svenja Flasspöhler.Am BE war vor Kurzem ein Dialog mit Heinz Bude über Solidarität und Das war interessant.Ch.Roche ist rein inhaltsmäßig uninteressant geworden, da kommt Nichts mehr wie eine Nabelschau und jetzt die Selbstinszenierung.weiß auch gar nicht, was sie so berufemäßig macht.
Und wir sind auch nicht anders wie sie in ihrer Paardramatik.Das muss nur aufgearbeitet und gut inszeniert gehypt werden und dann haben wir fertig.RTL für Reiche oder eine Klassenstufe höher- dann doch Paartherapeuten mit Fallbeispielen ala Schmidthuber oder Schmidtbauer aus der Zeitbeilage....
Mich stört ebend doch, daß eine frau wie Roche Das nicht merken will, kann...