Es ist kein Geheimnis, dass hinter „Zeichen gegen Rechts“ selten mehr als Worthülsen stecken. Noch im Sommer besuchte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) das Mahnmal für die NSU-Opfer in Nürnberg, legte einen Kranz nieder und beteuerte: „Wir werden niemals vergessen und wir sind mehr! [...] Wir gehen dahin, wo für Radikalisierung anfällige Menschen sind, wir versuchen sie zu erreichen und herauszuholen aus der Extremismusspirale. Wir dürfen hier nicht nachlassen – im Gegenteil.“ Ihre Pressestelle subsumierte: ein „deutliches Zeichen gegen Rechts.“
Glücklich schätzen sollte man sich angesichts solcher Demokrat*innen. Wann immer im Osten nun ein junger Mensch rechte Ideologie für stichhaltig hält, wird ihn hoffentlich ein Blumenkranz in Nürnberg oder anderswo wieder auf den nichtrechten Pfad führen. Bildungs- und Aufklärungsarbeit? Ungern. Giffeys Ministerium kündigte bereits im Juli an, die Förderung von zivilgesellschaftlichen Programmen gegen Rechts bis 2020 umzustellen. Nun wird deutlich, was diese Umstellung bedeuten wird: Das Programm „Demokratie leben!“, ein bundesweiter Fördertopf für zahlreiche zivilgesellschaftliche Projekte, wird laut Informationen des Deutschlandfunk im nächsten Jahr voraussichtlich mit acht Millionen Euro weniger auskommen müssen. Das Bundesfamilienministerium hat bislang noch nicht konkret Stellung bezogen. Für zahlreiche bewährte Projekte, unter anderem das bekannte Rechtsextremismus-Aussteigerprogramm „Exit“, bedeutet das abgelehnte Förderanträge. Bereits vergangene Woche bezeichnete der Gründer der „Exit“-Initiative die ausbleibenden Mittel in der taz als „Schande“. „Exit“ droht nun das aus.
Die Amadeu-Antonio-Stiftung, ein bundesweiter Förderer von Anti-Rechts-Projekten, ächzt ebenfalls. Hier wurden zwei Modellprojekt-Anträge abgelehnt. Der Sprecher der Stiftung, Robert Lüdecke, sagte dem Deutschlandfunk heute: „Für uns als Amadeu-Antonio-Stiftung heißt die Ablehnung von zwei unserer Modellprojekt-Anträge ganz konkret, dass wir ein Büro in Hannover schließen werden, und dort Arbeit von inzwischen acht Jahren einstellen müssen, anstatt aufzubauen auf die Expertise, die wir erworben haben, und unser Thema voran zu treiben.“
Ein Zeichen, das die Rechten verstehen
400 Projekte hatte der Bund über „Demokratie leben!“ bislang gestützt, nun werden nur noch 100 weitergeführt. Dabei handelt es sich teilweise um langjährig geförderte und erfolgreiche Initiativen, die nun finanzielle Probleme bekommen. Anders als manch flotter Anti-Nazi-Spruch haben Projekte wie Exit etwa dabei geholfen, laut eigenen Angaben über 750 potentielle gewaltbereite Neonazis aus extremistischen Netzwerken zu lösen. Ausgerechnet das im vergangenen Jahr von rechten Demonstrationen und Ausschreitungen gebeutelte Chemnitz muss zukünftig auch mit weniger Geld für zivilgesellschaftliches Engagement vom Bund rechnen. Hier sicherte Giffey noch im November 2018 zusätzliche Mittel zu, die „Partnerschaft für Demokratie Chemnitz“ erhielt kurzerhand 300.000 statt 100.000 Euro vom Bund. Ein Jahr und eine historische Landtagswahl später scheint der rechte Spuk in der sächsischen Großstadt für Giffey offenbar vorbei zu sein, nun hat Chemnitz nur noch 35.000 Euro für zivilgesellschaftliche Projekte zur Verfügung.
Angesichts der politischen und gesellschaftlichen Lage kommen die Umstellungen vom Bundesfamilienministerium zur Unzeit. Sofern man die Zeichen denn erkennen will, sprechen sie eine deutliche Sprache: Allein im ersten Halbjahr 2019 verzeichnete das Bundesinnenministerium mehr als 8.600 rechte Straftaten, 900 mehr als im ersten Halbjahr 2018. Die AfD erreichte vor gerade einmal knapp einem Monat in Brandenburg und Sachsen zweistellige Zugewinne und bereitet den restlichen Parteien aktuell Schwierigkeiten, nichtrechte Koalitionen zu bilden. Im ländlichen Raum finden Rechte und solche, die es werden wollen, seit Jahren eine neue Heimat. Von rechten Umtrieben in der bundesdeutschen Polizei und dem Militär ganz zu schweigen.
Demokratische Initiativen und Stiftungen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung sind der AfD schon lange ein Dorn im Auge. Noch im August forderte der AfD-Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann eine Streichung sämtlicher Mittel und sagte, eine solche Maßnahme wäre „ein großer Gewinn für unsere Demokratie und die Meinungsvielfalt im Lande.“ Obgleich „Demokratie leben!“ nach aktuellem Stand noch 107,5 Millionen Euro bleiben: Die SPD wirkt an solchen Forderungen kräftig mit. Die Signale aus dem Familienministerium werden bei den Rechten, nicht nur in der AfD, sondern auch im mittlerweile tiefblauen ländlichen Raum von Ostdeutschland, verstanden werden: als sehr deutliches Zeichen gegen „gegen Rechts“.
Kommentare 13
Es ist ein trauriger Treppenwitz der Geschichte, sollte das zutreffen! 193 Tote durch rechte Gewalt, sicherlich ist die Zahl zu tief angesetzt, NSU, Rechtsextremistische Umtriebe bei Polizei/ Bundeswehr – Soldaten die sich als Syrier ausgeben, Beamte beim KKK, Chemnitz, ein Ex Inlandsgeheimdienstler der keine Hetzjagden sehen wollte oder sollte, Nordkreuz, Todeslisten, Leichensäcke, dazu der Kalk, Waffenlager und Munition, Gruppierungen wie die "Identitäre Bewegung" oder die "Reichsbürger" erstarken. usw. Die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Die Frankfurter Anwältin Seda Başay-Yıldız hat einem Medienbericht zufolge erneut ein mit "NSU 2.0" unterschriebenes Drohfax erhalten. Frau Merkel damals: "In ihrer Trauerrede für die NSU-Opfer hat Bundeskanzlerin Angela Merkel 2012 eine vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes versprochen" WAS ist davon erfüllt worden? Peinlich und auch ein Groko-Versagen !
Vielleicht ein klein bißchen Off Topic – aber außer Öffentlichem Dienst (größtenteils im gehobenen Segment) und damit eng verquickter Parteikarriere hat Franziska Giffey in ihrem Leben nichts kennengelernt. Der Hinweis an der Stelle aus dem Grund, weil speziell der Beamtenstand eine besondere Form von Cloud ist. Darüber hinaus praktiziert er eine ganz spezielle Art von Besitzstandswahrung. Die man in etwa mit dem Motto umreißen könnte: Der Staat respektive die Verwaltung genügen sich selbst. Da Giffey außer der Fähigkeit, sich in Verwaltung und ihrer Partei unabkömmlich zu machen, über kein besonderes Profil verfügt, passen die exekutierten Kürzungen der Mittel gegen Rechts bestens ins Bild.
Darüber hinaus ist ihre Partei spätestens seit dem sogenannten Preußenschlag nachgerade dafür bekannt, den rechten Demokratiefeinden in Form von vorauseilendem Gehorsam den roten Teppich auszurollen.
Nicht erst seit Giffey, sondern seit zig Jahren geht das schon so. Neben den finanziellen Kürzungen hatten vor nicht allzu langer Zeit besonders Gewiefte ja noch die Idee der Extremismusprüfung gegen Anti-Rechts-Initiativen. Gibt's die eigentlich noch? Aber ist wahrscheinlich auch wurscht, da die Kleinen eh alle finanziell abgesoffen sein dürften und wohl keiner auf die Idee von Neugründungen kommt. Nun geht es also sogar den relativ "Großen", Exit und der Amadeo-Stiftung, an die Substanz. Zur "Unzeit", schreibt der Herr Nowotny. Zwar wüsste ich nicht, wann wir zuletzt eine Zeit erlebt hätten, die keiner Anti-Rechts-Initiativen bedurft hätte. Dass man in einer Zeit der Verdichtung rechtsextremer Vorfälle, Organisation und Radikalisierung Gelder für diejenigen streicht, die als Einzige organisiert gegen Rechts arbeiten, ist an Instinktlosigkeit nicht zu überbieten. "Unzeit" ist viel zu zurückhaltend formuliert.
Nach Schüssen vor Synagoge : ++ Flüchtige gesucht - Einsatz ...https://www.tagesschau.de › newsticker › liveblog-halle-101vor 37 Minuten - Nach den Schüssen in Halle gibt es im benachbarten Landsberg einen ... Generalbundesanwalt: Hinweise für rechtsextremen Hintergrund.
Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer äußerte im "Tagesspiegel" (Donnerstag) Trauer und Wut: "Ein solcher Angriff am höchsten jüdischen Feiertag ist ein Alarmzeichen, das niemanden in Deutschland unberührt lassen kann."
Der Angriff auf die Synagoge in Halle, ist ein Angriff auf alle Menschen dieses Landes. Unschuldige wurden durch Rechtsextremist ermordet! Bitte sprechen Sie nicht mehr von “Alarmzeichen“ Danke!
Solches Wortgeklingel ist für Polit-Clowns Routine. Kurz mal abgesondert, in Gedanken schon beim Tagesgeschäft. Wobei "Geschäft" wörtlich zu verstehen ist.
Ich konnte gestern in Halle life miterleben, wohin die Reise nach rechts dann irgendwann führt. Angst und Terror sind seit jeher der Klebstoff, der den bürgerlichen Staat kittet. Nur das Tuch, das sich darüber ausbreitet und den Blick ablenkt hat in den letzten Jahren große Löcher erhalten. Ich will nicht wissen, was passiert wenn ein Zucken der Märkte dem heimischen Korpsgeist die Berechtigung gibt loszuschlagen. Tausende Deutsche warten nur darauf sich zu unterwerfen.
Wat mut, dat mut sagt der Norddeutsche!
Geld ist ja schließlich nicht alles! Und das Leben kein Ponnyhof und überhaupt und sowieso! .. Haupsache jung, weiblich und lächelt schön in die Kamera! Dann wird das was, mit dem Ministerposten bei der SPD!
"Berlin ist nicht arm aber sexy!", hatte eine Ikone der Hauptstadt-SPD mal gesagt und viel Lob bekommen. Und sich dann sogleich mit dem Milliardengrab BER selbst widerlegt! Wer sowas baut ist nicht arm! Und wer gelegentlich mal die Baustelle besucht, der erkennt schnell wie unsexy Berlin sein kann! Wie ein sexy kleines Schwarzes, auf einem Bügel im verstaubten Keller eines Leihauses!Aber den Rotstift an der falschen Stelle, hatte er mit atemberaubender Sicherheit, gern angelegt. Bis die gesammte Stadt sich heute quasi von selbst verwaltet. Is ja kaum noch einer da, der das tun könnte! ;-)
Ja ..., die da - die in der SPD, ja die können das! Die können das gut! ..
Dieser elenden und unattraktiven Armut und der lähmenden Mittellosigkeit etwas Gutes abzugewinnen. Bleibt ihnen ja auch nichts Anderes übrig! Wenn man die Folgen der letzten 20 Jahre SPD-Landes- und Bundespolitik so betrachtet. Und überraschender Weise ergibt sich bei genaumen Hinsehen auch ein Zusammenhang - zwischen Armut und radikalen Ansichten.Aber wir sind ja so sexy wie wir uns fühlen, nicht? Also was solls! Ob nun weißes Hemd oder braunes .. .. .., ob nun Pumps oder Springerstiefel .. ..! Alles nur Modefragen und Haupsache ist doch, wir FÜHLEN uns sexy! Und sehen gut aus, wenn wir wieder für die Kameras was von echten Zeichen und ziviler Gegenwehr faseln! Mehr braucht man heute nicht, .. in der berliner SPD! Und in der Regierung offensichtlich auch nicht! Da geht man nach Anschlägen auf eine Trauerfeier, sagt ein paar Rührseelige Worte und gut is! Morgen is wieder Klima Leute.
Ein Hoch auf den Sexappeal des Dilentantismus!
https://www.jetzt.de/politik/neonazi-aussteiger-interview-mit-exit-gruender-bernd-wagner
Vielleicht wird nach der Attacke in Halle Exit doch noch weiterfinanziert. Hoffentlich !!!
Was soll dieser menschenverachtenden Sprachgebrauch?!
Der schreibt halt mit der linken Hand, weil er die Rechte permanent ausgestreckt halten muss. Ist ja nicht der Einzige hier ...
https://www.zeit.de/kultur/2019-10/rechtsterrorismus-halle-anschlag-rechtsextremismus-nsu-rassismus
Bedenkenswert.....
Was genau ist denn für Sie Faschismus?
Schade dass Sie diese Frage in Geschimpfe ersäufen.
Richtig ist, dass rechts einst für konservativ stand. Richtig ist, dass es heute für jene eigentümliche konservativ-sozialistisch-technokratische Mixtur steht, die die AfD repräsentiert und damti einen Bedeutungswandel erfahren hat.
Und richtig vor allem, dass die sozialistisch-technokratische Mixtur heutigen Datums das Erbe des Faschismus ist.
Nur kommen Sie dem ohne (eigene) Definition nicht näher. Denn Faschismus ist schwammig und vieldeutig geblieben, wird mit allem Möglichen verwechselt. Wahr ist, dass er "links" und "rechts" in einer explosiven, weil in sich widersprüchlichen Mischung verbindet.