Der Lumpenhund

Literatur Marcel Reich-Ranicki galt als knurriger Großkritiker. Ein neuer Sammelband zeigt auch andere Seiten
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 39/2015

Als er im Jahre 1962 gebeten wurde, einen Artikel über mündliche Literaturkritik zu schreiben, öffnete Marcel Reich-Ranicki sein Kritikernähkästchen: Martin Walser, der gefeierte Autor des zwei Jahre zuvor erschienenen Romans Halbzeit, habe ihn und alle anderen Literaturkritiker kürzlich auf einer Tagung der Gruppe 47 als „Lumpenhunde“ bezeichnet. Mit spürbarem Behagen führte Reich-Ranicki anschließend die Ahnenreihe auf, in der Walser sich damit bewegte: Für Goethe waren Rezensenten Hunde, die man schleunigst totschlagen sollte. Charles Dickens nannte den prototypischen Kritiker eine mit Pygmäenpfeilen bewaffnete Laus mit der Gestalt eines Menschen und dem Herz eines Teufels. Und Leo Tolstoi meinte schlicht, dass jemand, d