Abgemeldet: Asoziale Netzwerke

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Nach dem Aufwischen meiner persönlichen Datenlache im Netz war ich ziemlich erschöpft. Das war viel Arbeit. Und ein bisschen angewidert war ich auch. Von meinem ungebremsten Drang zum Socialising nämlich: In fast jedem in Deutschland aktivem Sozialen Netzwerk hatte ich versucht, neue Freunde zu finden. Dabei sind meine alten eigentlich ganz okay.

Diese Irritation kannte ich: Als ich mir 1995 von meinem Taschengeld ein 33,3-K-Modem zulegte, fiel mir mein bester Freund um den Hals und rief: “Wie cool! Dann können wir uns jetzt immer e-Mails schreiben!” Was wir in der Folge auch tatsächlich taten. Warum genau, kann ich bis heute nicht erklären. Wir haben uns jeden Tag in der Schule gesehen und die meisten Nachmittage miteinander verbracht. Bei unseren Mails galt eindeutig: The medium is the message. Das hat gefetzt. 1995.

Erst als ich neulich nachts meine Mitgliedschaft in zahlreichen Sozialen Netzwerken beendete, stellte ich fest, dass diese immer noch nach dem alten Grundsatz funktionieren. Der aber hat an Charme deutlich eingebüßt. Und müsste außerdem um zwei Worte ergänzt heute richtig lauten: The medium is the message is you. Denn wer nichts sagt, den gibt’s auch nicht. Deswegen quasseln alle ständig über alles was ihnen einfällt. Und sehen dabei wahnsinnig gut aus. Aber eben auch ein bisschen hohl.

Grund genug für mich, den meisten sozialen Netzwerken den Rücken zu kehren. Kleben geblieben bin ich beim schlimmsten von allen: Facebook. Dabei mach ich mir nichts vor: Eine Freundschaftsanfrage bei Facebook bedeutet im Wesentlichen: Darf ich dir künftig ungefähr 5 Mal am Tag: “Guck Mal! Ich bin hier!” in dein Leben brüllen? Wer jetzt schwach wird und ja sagt, der erfährt in Zukunft ungefragt, wer wann ein Bäuerchen gemacht hat, wem wann ein virtuelles aber zuckersüüüßes und todtrauriges schwarzes Kätzchen über den Weg gelaufen ist, und wer wann wo mit wem verabredet ist. Vielleicht will man ja selber auch hin. Was mich wirklich daran nervt ist: Es interessiert mich! Ich will es wissen! Ich checke Facebook jeden Tag. Ich würde es häufiger tun, wenn ich die Zeit dafür hätte. Warum nur?

Ich erfahre hier nichts Nützliches. Außer vielleicht einem Gefühl: “Oh ja! Alle Leute, die ich irgendwie oder über drei Ecken kenne sind noch da und haben auch ein Leben. Prima.” Das ist aber keine Kontaktpflege. In Wirklichkeit ist das sogar Spam. Weil man miteinander überhaupt nicht in Kontakt tritt. Und falls doch ist das glatt und oberflächlich. Statusmeldungen, wie auch die Kommentare dazu können im Netzwerk mitgelesen werden. Natürlich: für den vertraulicheren Austausch kann man den privaten Chat nutzen. Oder die private Nachricht. Warum aber sollte man? Wieso sollte man eine zusätzliche Plattform zwischen sich und den anderen stellen, wenn man ebenso gut telefonieren kann? Oder – Obacht! – sich gar einfach einmal trifft?

“Facebook ist perfekt dafür, Kontakt zu deinen Freunden auf der ganzen Welt zu pflegen.” Okay, vielleicht bin ich ein langweiliger vereinsamter Eremit. Ich bekenne, die Zahl der Personen, die ich als Freunde bezeichne und die außerhalb Deutschlands leben lautet: 3. Wir mailen oder telefonieren gelegentlich.

“Facebook ermöglicht es dir, mit den Menschen in deinem Leben Inhalte […] zu teilen.” Das ist tatsächlich ein Argument. Wer ein interessantes You-Tube-Video entdeckt hat, kann es hier posten, ebenso wie Fotos oder einen spannenden Artikel. In der Praxis bedeutet das, dass ich ernsthaft darüber nachdenke, mir in Zukunft eine Eieruhr mit 30-Minuten-Countdown neben den Rechner zu stellen, bevor ich mich bei Facebook einlogge. Ja, es ist Social Spam. Aber es ist wie der süße Brei, führt vom Hundertsten zum Tausendsten und macht süchtig, wie Betroffene und Interessierte hier, hier oder hier nachlesen können.

Facebook hat mein Leben nicht sozialer gemacht. Ich verdächtige Facebook sogar, in Wirklichkeit asozial zu sein. Statt Menschen zusammenzubringen verführt es sie dazu, ihre Zeit mit dem Konsum belangloser Statusmeldungen, sinnfreier Minispielchen oder aufgepixelter Musikvideos zu verschwenden. Und zwar allein in orthopädisch ungünstiger Haltung vor ihren Rechnern sitzend.

Sobald meine Therapie abgeschlossen ist, lösche ich meinen Facebook-Account. Versprochen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kopfkompass

Wannabe alternative mainstream critic. Artist. Photographer. Videographer. Queer. Pre-Buddhist. Post-Genderist. Banker. Nerd. Dog-Daddy. Green. Vegan.

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