Dominik Graf: Der unsichtbare Tiefgang

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"Frage mich kurz, warum ich aber auch jeden weiteren Dominik Graf-Film gucke.", twitterte miss_leelah gestern Abend eine Sekunde, bevor ich es tun wollte direkt aus meinem Herzen.

Arte zeigte "Das unsichtbare Mädchen", den neuesten Krimi des gefeierten Regisseurs, den er anhand des für ihn maßgeschneiderten Drehbuchs von Friedrich Ani und Ina Jung inszenierte. Ich hatte eingeschaltet, weil ich Ronald Zehrfeld, Silke Bodenbender und auf eine merkwürdige Art auch Ulrich Noethen gern sehe, und sich die Programmzeitschriften verlagsübergreifend darauf geeinigt hatten, den Film als TV-Event des Abends zu hypen.

In allen Besprechungen zum Film heißt es, er würde auf dem Fall der 2001 im echten Leben entführten Peggy K. basieren. In Wirklichkeit jedoch basiert der Film - wie alle Filme Grafs, mit denen ich bisher meine Lebenszeit vergeudete - auf dessen brutaler Aversion gegen Frauen, seinem irgendwo zwischen Mephisto und Old Shatterhand eingemauerten Männerbild und seinen tiefen Zweifeln gegenüber jeglicher Form menschlicher Kultiviertheit.

Konflikte werden generell entweder mit dem Unterleib oder mit den Fäusten geklärt, zur Auflockerung auch mal mit 'ner Wumme. Frauen sind in aller Regel Nutten oder arbeitslos, in jedem Fall aber gern ein bisschen betrunken und emotional dermaßen abhängig von irgendeinem Kerl, dass der ihnen schon auch mal anständig die Fresse polieren darf, ohne dass es danach jetzt zu viel nerviges Rumgezicke gäbe. Männer sind ihrer animalischen Geilheit und ihrer überbordenden körperlichen Stärke so hoffnungslos ausgeliefert, dass ihr bemitleidenswertes bisschen Cleverness dagegen beim besten Willen nichts ausrichten kann, weshalb sie a.) alles knallen müssen, was weiblich und älter als 12 ist und b.) jeden derbe zu verdreschen haben, der ihnen mit zu langen oder zu intelligenten Sätzen auf den schmerzhaft prallen Sack geht. Das Leben spielt sich hauptsächlich in rasenden Autos, heruntergekommen Privatwohnungen oder Bordellen ab, in denen in Grafs neustem Coup, auch süße Kinder gutgelaunt zu Freiers Diensten stehen.

Warum der Zuhälter der in einen 30 km entfernten Puff "verschwundenen" Tochter in der Wohnung der ahnungslosen Mutter verkehrt? Warum der Kommissar diese Tochter mit viel Tamtam und einem Messer an deren Kehle aus dem Puff zu entführen versucht, anstatt eine gepflegte Razzia einzuleiten? Wer genau eigentlich die Dame erdrosselte, an der sich der ganze Budenzauber entspann?

Unerheblich.

Aber wie die rothaarige Schnecke dem Bären so volle Kanne in die Eier getreten hat, und der dann so Hammer in den Glastisch gekracht ist, war doch end-grimmepreis-verdächtig!

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Geschrieben von

kopfkompass

Wannabe alternative mainstream critic. Artist. Photographer. Videographer. Queer. Pre-Buddhist. Post-Genderist. Banker. Nerd. Dog-Daddy. Green. Vegan.

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