Superweiber und Powerfrauen

TRAUMHAFT Schöne heile Welt in neuen deutschen Frauenbestsellern

Die erfolgreiche Fernsehjournalistin Karla Stein, lässt sich - des Geldes wegen - für die Moderation der Fernsehkuppelshow "Wört - Flört" anwerben und schlägt sich dort mit den Machenschaften der Redakteurin Oda-Gesine Malzahn herum. Nebenher zieht die Heldin in Hera Linds neuem Roman Der gemietete Mann allein ihre vier Kinder groß, deren jüngstes sie noch stillt.

Lind erzählt vom Entstehen und Vergehen unsäglicher "Wört-Flört"-Sendungen, von Schönheitsoperationen, Fettverbrennungsseminaren bei Dr. Strunz und Essen beim Bundespräsidenten. Und davon, wie die vierfache Mutter Karla Stein, deren vierzigster Geburtstag naht, in Liebe fällt zu ihrem 20-jährigen Au-pair-Jungen Emil aus Südafrika. Irrungen, Wirrungen, nach 442 Seiten kauft Karla Stein die "W-F"-Produktionsfirma und heiratet ihren Au-pair-Jungen. Und so leben sie glücklich und zufrieden...

Verbissener Feminismus ist out, "die ungeheure Leichtigkeit des Seins" in. Das ist das Credo kommerziell erfolgreicher Bücher, die in den 80er und 90er Jahren von Frauen für Frauen aus einer deutlich weiblichen Perspektive geschrieben wurden. Neben Hera Lind sind Eva Heller, Gaby Hauptmann und Franziska Stalmann die prominentesten Vertreterinnen dieses Genres. Sie stellen scheinbar starke und unabhängige Frauen in den Mittelpunkt, witzig und frech, aber auch warmherzig und fürsorglich, Frauen, die privates Glück und berufliche Karriere locker unter einen Hut bringen, die attraktiv sind und intelligent und optimistisch, die ihre Interessen nicht kämpferisch-radikal, sondern mit weiblichem Charme durchsetzen.

Das ist der Emanzipation à la Hera Lind letzter Schluss: Frauen entlasst die Männer aus ihrer Verantwortung für Haushalt und Familie, betrachtet sie als Luxusgeschöpfe für schöne Stunden. Rüttelt bloß nicht an den patriarchalischen Strukturen, passt euch an und holt das Beste für euch raus.

In den 70er Jahren hatte Verena Stefan in ihrem für die Frauenliteratur bedeutsamen Buch Häutungen eine paradigmatische Neubestimmung des weiblichen Ichs aufgezeichnet und gefordert: "Es geht darum, daß frau nicht mehr einen anderen menschen braucht, um sich überhaupt als ganzen menschen zu fühlen."

In diesen Frauenbestsellern bleibt trotz aller Postulate vom selbstbewussten, selbstbestimmten Frauenleben der Mann der unangefochtene Mittelpunkt des weiblichen Universums. "Ich will einen Mann, sagt Agnes, einen richtigen, einen für alles." (Franziska Stalmann, Lieber die Taube in der Hand). Auch Hera Linds Zauberfrau kehrt nach etlichen amourösen Abenteuern zu ihrem Gatten Ernstbert zurück. Carmen Legg verliebt sich erwartungsgemäß in den gesuchten impotenten Mann, der dann - so der bescheidene Plot - gar nicht impotent ist, sondern sie in jeder Hinsicht unbeschreiblich glücklich macht. Mit etwa 1,2 Millionen verkauften Exemplaren ist Suche impotenten Mann fürs Leben von Gaby Hauptmann der bisher erfolgreichste Titel der neuen Frauenbestseller.

Schlimmer als der unverwüstliche Frohsinn und die penetrante Witzigkeit dieser Prosa, schlimmer sogar als die oft floskelhafte Sprache, die bemühten Wortspiele und die quälenden Happyends ist ihre message, wonach jede ihres Glückes Schmiedin ist. Die Welt, so erzählen die Geschichten, ist vielleicht nicht immer heil, aber jederzeit heilbar.

Jedwede soziale und politische Problematik bleibt außen vor. Die junge Journalistin Flora (Marlen Faro Frauen, die Prosecco trinken) regt auf einer Redaktionssitzung des Hochglanzmagazins Marylin an, doch einmal die Situation alleinerziehender Mütter in Mecklenburg-Vorpommern zu thematisieren. Der Vorschlag wird so quittiert, wie er gemeint war: als müder Witz. Die Heldinnen dieser Romane sind nicht arbeitslos und müssen über Geld nicht nachdenken. Sie sind Psychologin, Sängerin oder Schriftsetzerin, besitzen Versicherungsagenturen oder arbeiten sich wie Eva Hellers Viola in Der Mann, der's wert ist vom Zimmermädchen-Aschenputtel zur Hotelbesitzerin empor. Ihre Männer und Liebhaber sind Ärzte, Anwälte, Filmregisseure oder Architekten, wenigstens aber Kunstkritiker oder Kulturredakteure.

Sie haben sich behaglich eingerichtet in ihren Stadtrandhäusern, fahren einen schnellen BMW oder einen familienfreundlichen Bus. Wenn es noch nicht so geklappt hat, heiraten sie einen ehemaligen Großindustriellen, 85-jährig, treffen mit ihm "Arrangements" und erben Millionen von einer unbekannten Großtante aus Übersee - Gaby Hauptmanns neuester Roman Die Meute der Erben ist doch fast so wie das richtige Leben. "Alleinerziehende" Mütter wie Linds Franziska Herr-Großkötter haben Kinderfrauen, Leihgroßmütter und eben Au-Pair-Jungen als hilfreiche Geister um sich geschart und empfehlen dies allen berufstätigen Frauen zur Nachahmung.

Weshalb kann Literatur, die ein so eingeschränktes Bild von Welt und Wirklichkeit entwirft, in der es keine Visionen gibt, ein überwiegend weibliches Millionenpublikum gewinnen? Die neuen Bestseller von Frauen für Frauen bieten - so befragte Leserinnen - "flotte Unterhaltung", sie werden zur Entspannung konsumiert. Sie sind "einfach zu lesen": keine Sprachexperimente, sondern lineare Erzählweise ohne Vor- und Rückblenden, alles ist auf Aktion und zügigen Handlungsablauf ausgerichtet. Mühelos lassen sich Seiten überschlagen, ohne den Faden zu verlieren. Diese Prosa gibt sich gut gelaunt und unprätentiös, scheinbar schwerelos geschrieben, sie artikuliert "typisch weibliche Probleme" (Figur, Outfit) in mitunter gut beobachteten Alltagssituationen. Sie bedient elementare Sehnsüchte nach Harmonie und Liebe und lässt in Zeiten wirtschaftlicher Not Wunsch träume von sozialer Geborgenheit Traum werden.

Spiegelt diese Art von "Frauenliteratur" ein gesellschaftliches Phänomen: von Männern und Frauen akzeptierten "Feminismus light"? Journal der Frau kreierte in der Studie Frauenleitbilder am Rande des Jahrtausends nach umfangreichen Befragungen die "partnerschaftliche Frau" als Leitbild mit dem höchsten Identifikationspotential. "Die ›partnerschaftliche Frau‹ ist die Super-Frau in der menschlichen Version. Sie ist eine sorgende Mutter, eine liebevolle Ehefrau und eine erfolgreiche Berufsfrau in Personalunion. Das alles aber ist sie nicht aus eigener Grandiosität, sondern weil sie einen Partner hat, der sie voll unterstützt."

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