E-Learning: Bessere Chancen für alle?

Digitale Bildung Handyverbot im Klassenraum? Bloß nicht! Netzwerktreffen young+restless widmet sich der Digitalisierung im Bildungsbereich.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

E-Learning? Stimmt, Online-Seminare gibt es ja mittlerweile zu allem. Aber an Schulen? Tablets für alle kann sich doch keine Schule leisten. Wer bei digitalem Lernen an mit Laptops ausgestattete Klassenzimmer und Youtube-Tutorials denkt, kratzt bestenfalls an der Oberfläche. Digitale Bildung bringt Vorteile in Schule, Universität und Beruf. Es müssen aber auch Fragen nach Chancengleichheit gestellt werden, zum Beispiel im Zusammenhang zwischen Herkunft und digitalen Kompetenzen. Darüber haben die Gäste des Netzwerktreffens young+restless am 28. Juni im Telefónica BASECAMP diskutiert.

Weg mit dem starren Trainingskatalog

Dass das Thema E-Learning nicht nur Schulen betrifft, beweist Nicole Prüße, Senior HR Innovation Managerin bei Telefónica Deutschland GmbH. Bei Telefónica spiele digitale Bildung eine wichtige Rolle. So gebe es eine E-Learning-Plattform, über die die Angestellten ihr Lernen selbst organisieren können. Statt eines Trainingskatalogs, der abgearbeitet werden muss, erhielten sie die Möglichkeit, selbst zu wählen, was sie lernen möchten. „Das ist natürlich nicht leicht“, berichtet Prüße. Sie höre regelmäßig, dass Kolleginnen und Kollegen den vorgeschriebenen Trainingskatalog vermissen. „Es gibt einige, die negative Erfahrungen mit dem Lernen gemacht haben, beispielsweise in der Schule, und die nicht mehr lernen wollen, die nicht mehr neugierig sind.“

Autonomie und Selbstbestimmung sind laut Prüße wichtige Eigenschaften für Firmen wie Telefónica. Dementsprechend wünsche sie sich von Bewerberinnen und Bewerbern auch, dass diese in der Lage seien, ihr Lernen selbst zu strukturieren. Außerdem von Vorteil: eine gewisse digitale Affinität. Die ließe sich ja bereits in der Schule fördern: „Es wäre schön, wenn im Unterricht mal lösungsorientiert mit Daten gearbeitet werden würde.“ Probleme sollten mit digitalen Werkzeugen gelöst und Spaß an der Arbeit mit diesen vermittelt werden.

Ablehnende Haltung an deutschen Schulen

Haben Schulen nicht schon genug Probleme?“, fragt Moderatorin Jana Kugoth bewusst provokant. Häufig wird Digitalisierung sogar als Verstärker bereits vorhandener Probleme betrachtet, berichtet Stefan Schönwetter, Leiter des Programms „bildung.digital – Themenportal für Schulen“ bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. Ein wichtiges Stichwort sei Mobbing, das sich als Cybermobbing in Online-Medien fortsetzt. Insgesamt berichtet Schönwetter von einer oft ablehnenden Haltung der Schulen gegenüber E-Learning-Angeboten. Ein weiterer Grund: Viele Lehrkräfte haben Angst vor einer Bloßstellung, wenn die Jugendlichen sich mit digitalen Medien besser auskennen als sie selbst. Dabei könnten sie den Schülerinnen und Schülern so viel beibringen, wenn es darum geht, wie man Informationen findet und Wissen organisiert, meint Schönwetter.

Auch dass an einigen Schulen Smartphones verboten sind – aus Angst, sie könnten die Jugendlichen vom Unterricht ablenken – ist für Schönwetter nur schwer nachvollziehbar. „Wer abgelenkt werden will, der schafft das schon irgendwie.“ So wie Schönwetter zur eigenen Schulzeit mit seinem Gameboy. Im Handyverbot sieht er eine regelrechte Gefahr: „Wer nie mit digitalen Geräten in Kontakt gekommen ist, hat später auch Schwierigkeiten, sich damit zurechtzufinden.“

Digitale Kompetenzen abhängig von Herkunft

Diese Erkenntnis bildet auch die Basis für die Arbeit von Teach First Deutschland. Managerin Nina Middelkamp berichtet: Ein kompetenter Umgang mit digitalen Medien werde bisher vor allem im Elternhaus gelernt – bzw. nicht gelernt. Auch die zur Verfügung stehenden Geräte sind abhängig von der Herkunft, in erster Linie dem Einkommen der Eltern. Ihre Vision: Schüler auf das Arbeiten 4.0 vorbereiten, mündig machen und die digitale Welt mitgestalten lassen. Middelkamp ergänzt: „Uns geht es vor allem darum, die Kompetenzen zu vermitteln, die für diese Vision wichtig sind.“

Dazu schicken sie so genannte Fellows – Hochschulabsolventen aus verschiedenen Fachgebieten – für zwei Jahre in Vollzeit an Schulen in sozialen Brennpunkten. Diese arbeiten dort als zusätzliche Lehrkräfte, bringen Projekte voran und stoßen Veränderungen an – natürlich auch im Bereich digitale Bildung. Der Dahl Tube ist ein solches Projekt, ein Youtube-Kanal für die ganze Schule, der von einer Projektgruppe aus Schülern unter Leitung eines Fellows bespielt wurde. Wie schneide ich Videos, wo lade ich sie hoch und wie bereite ich Inhalte interessant auf? „Alles auch Skills, die in den meisten Unternehmen gerne gesehen sind“, meint Middelkamp.

Unterstützung auf dem Weg an die Uni

Chancengleichheit spielt auch bei kiron eine zentrale Rolle – und zwar für Geflüchtete. Gründer und Head of Corporate Relations Markus Kreßler erklärt und den Ausgangspunkt: „Als Geflüchteter verliert man die Möglichkeit, seine eigenen Ziele zu verfolgen.“ Für junge Menschen sei dies besonders schlimm. Der Zugang zu Hochschulen gestalte sich schwierig für Geflüchtete. Hindernisse seien unter anderem die Zulassungsvoraussetzungen – allen voran die Sprache.

Kiron hat eine Lösung gefunden, um das Uni-Curriculum auf anderem Weg zur Verfügung zu stellen. Studierende lernen den Lehrstoff der Unis bei kiron online – über digitalisierte Kurse, interaktive Tutorials und Videos. An Partneruniversitäten können diese Leistungen später anerkannt werden. Wie man beim E-Learning Isolation vermeiden und gemeinsames Lernen fördern könne, erkundigt sich Moderatorin Kugoth. Und Kreßler antwortet ehrlich: „Es ist eine große Frage, auf die wir keine perfekte Antwort gefunden haben. Ich weiß auch nicht, ob es die gibt, aber wir erproben und verbessern kontinuierlich neue interaktive Formate im E-Learning.“ Beispiele für erfolgreiche Formate seien Online-Live-Tutorien oder selbstorganisierte Lerngruppen.

Zukunftsvision ohne Haken?

Demokratisierung des Wissens, Chancengleichheit, Selbstbestimmung und Mitgestaltung – der Abend wirft ein durchweg positives Bild auf die Digitalisierung im Bildungsbereich. Die Überforderung an Schulen, Isolation durch geringere soziale Kontakte und die Angst vor dem Einfluss von Privatunternehmen auf den Bildungsbereich tauchen in Fragen der Moderatorin zwar auf, werden jedoch nicht näher besprochen. Der Blick in die Zukunft scheint ein gänzlich positiver – zumindest wenn man die an diesem Abend Anwesenden fragt.

Mitarbeit: Luise Schneider
Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kristina Auer

Kristina Auer ist freie Journalistin in Berlin und schreibt meistens über Lokales. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Kristina Auer

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden