Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Arbeitsethik Wenn Journalisten Veranstaltungen großer Unternehmen moderieren – sind Interessenkonflikte vorprogrammiert?

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Für ihre journalistische Arbeit wird Dunja Hayali gefeiert. Gleichzeitig moderiert sie Veranstaltungen namhafter Unternehmen
Für ihre journalistische Arbeit wird Dunja Hayali gefeiert. Gleichzeitig moderiert sie Veranstaltungen namhafter Unternehmen

Foto: Sebastian Reuter/Getty Images for Deutsche AIDS-Stiftung

Dunja Hayali moderiert im ZDF das Morgenmagazin und hat eine eigene Talkshow, ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. Gleichzeitig moderiert sie Veranstaltungen namhafter Unternehmen: Wie die NDR-Sendung »Zapp« herausfand, wurde Hayali allein in einem Jahr von der Deutschen Automatenwirtschaft, Novartis, BMW, dem Deutschen Beamtenbund, der Deutschen Stahlindustrie und Amazon gebucht. Geben Journalistinnen und Journalisten ihre Unabhängigkeit auf, wenn sie Aufträge aus der Wirtschaft annehmen? In der Veranstaltungsreihe »PR trifft Journalismus“ in der taz-Kantine wurde am 13. Mai kontrovers zu dieser Frage diskutiert.

Freie Journalisten brauchen Aufträge

Wie es überhaupt dazu kommt, dass Journalistinnen und Journalisten Moderationsaufträge aus der Wirtschaft annehmen, erkläre sich vor allem durch ihre Arbeitsbedingungen, findet die Fernsehjournalistin Claudia Bender. »Freie Journalisten dürfen nur 120 Tage im Jahr für ihren Hauptauftraggeber arbeiten, damit sie sich nicht einklagen können. An den restlichen 100 Arbeitstagen müssen sie also etwas anderes tun, um ihre Miete zu bezahlen.« Dazu komme, dass gerade Fernsehsender nicht unbedingt begeistert seien, wenn bekannte Gesichter nebenher bei der Konkurrenz arbeiten. Aufträge von Unternehmen scheinen für freie Journalistinnen wie Dunja Hayali also naheliegende Lösungen zu sein.

Trotzdem müsse sich jede und jeder über seine und ihre Auftraggeber Gedanken machen, betont Bender. Maria Grunwald ist unter anderem Reporterin bei der Deutschen Welle und moderiert selbst Veranstaltungen. Für ihre Tätigkeit bei Unternehmen hat sie sich eigene Grundsätze gesteckt: »Parteitage und Wahlkampf sind tabu«, sagt Grunwald. Außerdem sei für sie vor allem entscheidend, dass die Veranstaltung nicht nur für Unternehmens- oder Parteimitglieder zugänglich sei, sondern auch andere Positionen zugelassen würden. »Aus den Vorgesprächen kann ich sehr gut erkennen, wie offen eine Veranstaltung werden soll, zum Beispiel daran, wer auf dem Podium sitzt und ob es Publikumsbeteiligung gibt«, sagt Grunwald. Im Zweifel brauche es den Mut – und leider auch die finanzielle Freiheit – Aufträge nicht anzunehmen.

Veranstaltungen als Marketing

Ein Parade-Beispiel für ein Unternehmen, das beim Marketing auf Veranstaltungen setzt, ist Telefónica. Oder wie Pressesprecher Markus Oliver Göbel es ausdrückt: »Wenn Entwicklungen wie 5G oder neue Funktechnik auf uns zukommen, muss darüber einfach offen diskutiert werden.« Manchmal müsse auch Überzeugungsarbeit für Projekte des Unternehmens geleistet werden. In der eigenen Event-Location »Telefónica Basecamp« in Berlin finden deshalb an 200 Abenden im Jahr Podien und Vorträge zum Thema Digitalisierung statt, unter anderem die Data Debates in Zusammenarbeit mit dem Tagesspiegel. Einen Interessenkonflikt für die Tageszeitung sieht Göbel nicht: »Die sind da knallhart, Veranstaltungsplanung und Redaktion sind zwei unterschiedliche Abteilungen.« Wer mit dem Tagesspiegel zusammenarbeite, habe eher weniger Chancen als andere Veranstalter, in der Berichterstattung berücksichtigt zu werden.

Schon der bloße Anschein schadet

»Ganz unproblematisch finde ich das trotzdem nicht«, entgegnet Günter Bartsch vom Verein »Netzwerk Recherche«, der sich für investigativen Journalismus und Standards in der Medienkultur einsetzt. Gerade weil Journalistinnen und Journalisten Experten auf bestimmten Gebieten seien, kämen sie schneller in Interessenkonflikte. Wenn der Chefredakteur des Tagesspiegel eine Veranstaltung für Telefónica moderiere, könne es durchaus vorkommen, dass seine Zeitung kurz darauf kritisch über das Unternehmen berichten müsse. »Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Anschein erwecken, gemeinsame Sache zu machen«, sagt Bartsch. Sein Punkt: Allein der Schein, jemand sei nicht voll und ganz unabhängig, könne dem Ansehen des Journalismus erheblich schaden. Je prominenter eine Person, desto größer sei dieser Schaden.

Warum einige Medien-Stars Aufträge aus der Wirtschaft annehmen, versteht auch Claudia Bender nicht. »Die verdienen doch schon so genug Geld«, findet die Fernsehproduzentin. Wichtig sei in jedem Fall, dass der Sender über die Tätigkeiten seiner Moderatorinnen und Moderatoren Bescheid wisse. »Ich bin aber der festen Überzeugung, dass man mit gesundem Menschenverstand viele Sachen guten Gewissens machen kann«, so Bender. Petra Schwarz kennt den professionellen Spagat ebenfalls aus eigener Erfahrung: Sie hat sowohl als Journalistin als auch als Pressesprecherin für den ehemaligen Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) gearbeitet und moderiert Veranstaltungen. Für sie ist die transparente Trennung ihrer Arbeitsbereiche wichtig: »Ich stehe dann nicht als rbb-Journalistin Petra Schwarz auf dem Podium, sondern als Kommunikations-Expertin Petra Schwarz.« Für Günter Bartsch ist noch ein weiterer Unterscheidungsaspekt relevant. Es sei etwas anderes, ob eine Redaktion oder ein Unternehmen Gäste, Thema und Ablauf einer Veranstaltung bestimme. Bartsch: »Man darf nicht so tun, als ob das kritischer Journalismus wäre.«

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kristina Auer

Kristina Auer ist freie Journalistin in Berlin und schreibt meistens über Lokales. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Kristina Auer

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