»Wie approachen Dich Journalisten?«

Startups Diskussion mit Pressesprechern und Journalisten über die manchmal komplizierte Beziehung von Startups und Medien

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Sie sind jung, männlich und sprechen einen skurrilen Slang aus deutschem und englischem Wirtschaftsvokabular – so in etwa lautet das gängige Klischee der Berliner Startup-Szene. Das erwartete Feuerwerk des Startup-Jargons bleibt bei »PR trifft Journalismus« am 11. März in der taz-Kantine aber aus – abgesehen von kleinen Ausnahmen: »Wie approachen dich Journalisten«, fragt beispielsweise Moderator Paul Wolter den Pressesprecher von Delivery Hero Bodo von Braunmühl. Ein anderes Klischee wird dagegen bestätigt – das der Männerdomäne: Vier Tage nachdem der internationale Frauentag in Berlin erstmals als gesetzlicher Feiertag begangen wurde, sitzt Viktoria Solms, Leiterin der Unternehmenskommunikation beim Online-Möbelhändler home24, als einzige Frau zwischen fünf Männern auf dem Podium. »Wir befinden uns in einem männlichen Ökosystem«, bemerkt auch Wolter. Und von Braunmühl räumt ein: »In Sachen Diversity ist in unserem Unternehmen und in der gesamten Branche noch viel Luft nach oben.«

Schiefes Presse- und Demokratieverständnis

Auch noch viel Luft nach oben ist in der Startup-Branche auf dem Gebiet Pressefreiheit, glaubt man den Worten von Andreas Winiarski. Der heutige Investor begann seine Karriere als Journalist bei der »Bild«-Zeitung. »Viele junge Unternehmen bräuchten erst mal einen Kurs in Sachen Demokratie und Pressefreiheit«, sagt Winiarski. Viele stellten sich Medien als eine Art verlängerten Arm der Marketing-Abteilung vor.

Ganz so krass würden es die Chefredakteure Alexander Hofmann und Stefan Dörner der Wirtschaftsmagazine Gründerszene und t3n nicht ausdrücken. Jede Bringschuld zur positiven Berichterstattung weist Hofmann aber weit von sich und seiner Publikation. Er reagiere allergisch, wenn Kommunikationsmitarbeiter Artikel über ihre Unternehmen in den Medien »platzieren« wollen, fügt Dörner hinzu: »Bei uns werden keine Artikel platziert«.

Abmahnungen seien im redaktionellen Alltag keine Seltenheit, berichtet Hofmann. Es komme sporadisch auch vor, dass Pressesprecher ihn aufforderten, unvorteilhafte Informationen aus ihrer Berichterstattung zu streichen. »So etwas muss ein Warnsignal sein«, sagt Dörner.

In einem Boot, aber mit unterschiedlichem Kurs

Von Braunmühl sieht in seiner Arbeit keine verhärteten Fronten zwischen Presseabteilungen und Journalisten. »Im Grunde sitzen wir alle in einem Boot«, sagt der Pressechef von Delivery Hero. Grundsätzlich sei es im Interesse beider Seiten, eine gute Geschichte zu erzählen. Für ein junges Unternehmen sei es das schlimmste, von den Medien ignoriert zu werden. »Mir ist eine kritischer Artikel über meine Firma tausendmal lieber als gar keine«, sagt von Braunmühl. Gerade Berichterstattung, die Missstände kritisiert, gebe Startups auch die Chance, sie zu verändern – Stichwort Diversity.

Dörner sieht Medien und Presseabteilunge nicht in einem Boot: »Es gibt Themen, die für Öffentlichkeit und Leserschaft durchaus relevant und interessant sind – es aber absolut nicht im Interesse des Unternehmens ist, dass sie bekannt werden«, so der t3n-Chefredakteur. In solchen Fällen stelle sich durchaus die Frage, wie viel ein Pressesprecher überhaupt preisgeben dürfe, findet auch Hofmann.

Seitenwechsel und gegenseitiges Vertrauen

Letztlich komme es darauf an, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, findet Solms. Sie kennt den Arbeitsalltag im Journalismus aus eigener Erfahrung. Kein Einzelfall: Bevor sie in die Pressearbeit wechselte, arbeitete sie jahrelang als Wirtschaftsredakteurin. Vertrauen zwischen Pressevertreter und Presseabteilungen lässt sich für sie durch sauber ausgeführtes Handwerk auf beiden Seiten schaffen. Es sei ihr wichtig, ein Gesprächsangebot zu schaffen und Fakten zur Verfügung zu stellen. Andererseits müsse man aber auch als Pressesprecherin auf die Sorgfalt von Journalisten vertrauen können. »Wenn jemand einen Text über das Unternehmen schreibt, der über das Abtippen einer Pressemitteilung hinaus geht, dann erwarte ich, dass diese Person einmal bei mir anruft und konkrete Fragen stellt«, sagt Solms. Dass Erwartungen auch an Medienvertreter gestellt werden dürfen, findet auch Winiarski. »Medien haben eine wichtige Kritik- und Kontrollfunktion in der Gesellschaft – aber auch Journalisten, die eine große Reichweite haben, müssen Dinge einordnen und Kritik aushalten können«, sagt der Ex-Journalist und Investor.

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Geschrieben von

Kristina Auer

Kristina Auer ist freie Journalistin in Berlin und schreibt meistens über Lokales. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Kristina Auer

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