Wie Marketing unsere Sprache beeinflusst

Medien Viel zu oft übernehmen Journalisten unkritisch die Sprache von Politik oder Wirtschaft. Genau das kann aber gefährlich werden. Über den Umgang von Medien mit Sprache.

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Verschleiert die Sprache die Wirklichkeit, wird das auch für den Journalismus zum Problem
Verschleiert die Sprache die Wirklichkeit, wird das auch für den Journalismus zum Problem

Foto: Chris McGrath/AFP/Getty Images

Dass das Verb „googlen“ einen festen Platz im alltäglichen Sprachgebrauch eingenommen hat, ist ein Paradebeispiel für gelungenes Framing. Der Begriff beschreibt, dass beispielsweise Marken bestimmte Inhalte in einen Kontext einbetten. Wenn es einem Unternehmen gelingt, ein Produkt in einem günstigen Rahmen zu präsentieren, kann das das Kaufverhalten von Kunden beeinflussen. Ein Produkt kann so als feste Marke auf einem bestimmten Themengebiet etabliert werden. Auch in der Politik wird diese Strategie gern verwendet, das hat Elisabeth Wehling in ihrem Buch „Politisches Framing“ gezeigt.

Suchmaschinenoptimierung, – kurz SEO ­– versucht stattdessen, Inhalte in Suchmaschinenergebnissen möglichst weit oben zu positionieren. Oft geschieht das mithilfe von häufig genutzten Schlüsselbegriffen. Die Aufmerksamkeit für ein Produkt erhöht sich, weil es von Kunden besser gefunden werden kann.

Finden solche Strategien ihren Weg in den Journalismus? Verändern sie letztendlich unseren gesamten Umgang mit Sprache? Darüber diskutierten Journalisten, Pressevertreter und Marketingexperten am Montagabend im taz Café bei der Veranstaltungsreihe „PR trifft Journalismus“.

Können Medien vom Marketing lernen?

Sprache bildet eine Schnittstelle von Marketing, Pressearbeit und Journalismus: „Wir alle verwenden Sprache, aber auf unterschiedliche Art und Weise“, sagt Matthias Bannas vom Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP). Im digitalen Zeitalter wird der Kampf um Aufmerksamkeit im medialen Stimmengewirr bekanntlich immer härter. Bannas wirft deshalb die Frage auf, ob Medien in diesem Wettbewerb womöglich vom Sprachgebrauch der Marketingabteilungen lernen können.

Til Fischer, Marktforscher und Medienberater bei Fischer & Bochow, sieht für den Journalismus in zwei Punkten Anschlussmöglichkeiten an unternehmerische Kommunikationsstrategien. Die journalistische Unabhängigkeit verbietet für Fischer zwar die Annäherung an ein Marketing-Vokabular. Die sprachliche Griffigkeit könne man sich allerdings zunutze machen. „Medien sollten sich auf den Anspruch besinnen, komplexe Inhalte auf einen Punkt zu bringen, das schafft Orientierung für die Leser“, sagt Fischer.

Noch wichtiger ist laut Fischer aber ein zweiter Aspekt aus dem Marketing-Bereich: Der Fokus auf die Messbarkeit: „Medien müssen viel stärker messen, welche Inhalte wen zu welcher Zeit erreichen.“

Die Macht der Formulierung

Wie bedeutend hingegen die bloße Formulierung von Inhalten ist, zeigen die Erfahrungen von Civey. Das Meinungsforschungsunternehmen erstellt repräsentative Online-Umfragen, indem Befragungen auf großen Medienseiten wie Spiegel eingebaut werden. Steffen Braun leitet dort die Abteilung Wirtschaft und Gesellschaft. In der Diskussionsrunde berichtet Braun von Tests bei Civey, in denen die gleiche Frage dreimal unterschiedlich gestellt wurde. „Manchmal ändert man nur ein Wort und das Ergebnis schwankt um 15 Prozent“, sagt Braun. Der Einfluss von Formulierung und Sprache sei demnach frappierend.

Ähnliche Techniken fänden bereits Einfluss in den Journalismus, ergänzt Fischer. Hier werden zum Beispiel Reaktionen auf unterschiedliche Überschriften zu einem Artikel getestet. Die Überschrift, die in einer Testphase von den meisten Lesern angeklickt wurde, setzt sich durch und wird dann dem Großteil der Nutzer angezeigt.

Was den Einfluss auf mediale Sprache angeht, ist Civey eine Art Sonderfall in der deutschen Medienlandschaft: Denn zu den Kunden des Unternehmens gehören auch Medien selbst. Sie geben Umfragen in Auftrag, aus deren Ergebnissen sie dann Nachrichten produzieren. „Dafür muss man Schlagzeilen machen und braucht ein polarisierendes Ergebnis“, sagte Braun. Das führe manchmal zu stark geframten Umfragen, die also auf ein gewünschtes Umfrageergebnis abzielen. Civey bremse seine Auftraggeber aber in solche Fällen eher, anstatt leitende Fragestellungen zu ermuntern.

Fischer sieht es grundsätzlich problematisch, dass Medien über Umfragen selbst ein Ereignis produzieren und über dieses dann berichten. „Kurzfristig generiert das vielleicht Klickzahlen, aber nachhaltig trägt es nicht dazu bei, die Glaubwürdigkeit des Mediums zu stärken und Nutzer an sich zu binden.“ Gerade das sei aber im Moment wichtig, weil unter der Leserschaft große Skepsis herrsche.

„Plädiere für eine breitere Sichtweise“

Am Ende des Gesprächs steht die Erkenntnis, dass Sprache im Netz stark reichweiten- und klickzahlgetrieben ist – und, dass dieser Gebrauch von Sprache uns, die Nutzer digitaler Kommunikation, verändert. Daran haben für Fischer reichweitenorientierte Formulierungen und Überschriften genauso einen Anteil wie die Personalisierung von Inhalten: Algorithmen versuchen zu berechnen, welche Interessen, Vorlieben und Kaufbereitschaft jeder einzelne Nutzer hat. Nach diesen Berechnungen werden dann die Inhalte gefiltert, die dem jeweiligen Nutzer angezeigt werden. „Wir haben es mit einer dynamischen Komposition von Inhalten auf der Basis von Personalisierungsvorgängen zu tun“, sagt Fischer.

Medien müssen sich laut Fischer eingängig mit ihrer Content Strategie auseinandersetzen und sich selbst Standards für den Umgang mit Sprache setzen. Dabei solle nicht ausschließlich quantitativ in harten, empirischen Klickzahlen gedacht werden. „Es ist etwas anderes, ob ich einfach nur Reichweite kreieren will, oder einen treuen Leserstamm an mich binden, ob ein Artikel langfristig immer wieder gelesen wird oder er zahlungsbereite Leser generiert“, sagt Fischer. Diese Faktoren müssten bei der Messung der Inhalte berücksichtigt werden. „Ich plädiere für eine breitere Sichtweise.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kristina Auer

Kristina Auer ist freie Journalistin in Berlin und schreibt meistens über Lokales. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Kristina Auer

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