Corona-Krise: Unterlassene Maßnahmen

Corona-Virus: Aus den Bundesländern kommen täglich strengere Maßnahmen gegen die Corona-Krise. Diese sind jedoch sehr einseitig auf Kontaktreduzierung ausgelegt. Was läuft falsch?

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Wir stehen erst am Anfang einer Krise. Auslöser ist ein Virus.

Aber infiziert werden nicht nur die Menschen. Angesteckt wird auch die Gesellschaft - unser Zusammenleben, unsere Freizeitgewohnheiten, unser Staatswesen und unser Arbeitsleben, alles ändert sich schlagartig. Auch die Wirtschaft erkrankt und gerät immer mehr in Turbulenzen.

Unser Wirtschaftsleben ist ein sehr komplexes Geflecht von Marktbeziehungen. Unerwartete Störungen führen schnell zu Unordnung und Verwerfungen. Nun spüren wir Tag für Tag mehr, wie zerbrechlich die Wirtschaft ist, die Basis unseres Wohlstandes.

Gefragt sind nun Maßnahmen, die den Zusammenbruch von Wirtschaft und Gesellschaft verhindern. Noch haben wir Zeit zu reagieren. Was ist zu tun?

Die Maßnahmen müssen zwei Ziele im Auge haben:

1. Die Ausbreitung des Virus verlangsamen
(zwecks Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung).

2. Den Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern.

Leider enthalten die Maßnahmen oft einen Zielkonflikt, denn sie helfen dem einen Ziel und behindern das andere. So reduziert eine rigorose Kontaktsperre die Ausbreitung des Virus, bringt aber die Wirtschaft zum Erliegen.

Wie nun die Corona-Krise bekämpfen?

Wir müssen die Statistiken und die Erfahrungen aus anderen Ländern analysieren. Daraus lernen wir, es gibt Wege, die Wachstumsrate der Infizierten zu bremsen und gleichzeitig die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Nach allem, was bekannt ist, führt das zu folgendem Maßnahmenkatalog:

1. Die Hochrisiko-Gruppe isolieren – mit höchster Priorität!

Schwerst-Corona-Erkrankte benötigen Intensivbetten mit Beatmungsgeräten. Davon sind nur wenige vorhanden und können die Krankenhäuser schnell überlasten. Auf Basis der Todesfälle hochgerechnet, belegen vor allem ältere Menschen diese Betten. Gemäß den verlinkten Statistiken aus Italien kommen 87 % aus der Altersgruppe der über 70-Jährigen, 99 % mit Vorerkrankungen. Das ist die Hochrisiko-Gruppe.
In Deutschland umfasst diese Hochrisiko-Gruppe rund 10 Millionen Menschen. Fast alle sind Rentner und viele bereits in Betreuungseinrichtungen, die für die Isolierung besonders geeignet sind. Wird diese Hochrisikogruppe isoliert, bleiben die Corona-Lasten für die Krankenhäuser verkraftbar.

Und genau das eröffnet eine riesige Chance: Die unter 70-Jährigen können wieder zur Arbeit gehen, in Betrieben ihren Job erledigen. Nur so überstehen wir die Krise. Hier ausführlich beschrieben.

2. Testen, testen, testen

Je mehr Infizierte frühzeitig erkannt und isoliert werden, umso weniger Gefährder bewegen sich im öffentlichen Raum. Die Test-Kapazitäten müssen schnellstens erhöht und das Test-Verfahren muss beschleunigt werden. Dort sollte der Staat anschieben und seine Finanzmittel einbringen.
Die Testschwerpunkte sind die Kontaktketten Infizierter, die Betreuer von Risikogruppen (siehe 1.) und Personen mit vielen öffentlichen Kontakten, z.B. Krankenhauspersonal und Polizeikräfte. Dort muss der Staat seine Ordnungsfunktion durchsetzen.

3. Schutz-Ausrüstung vorschreiben

In vielen Kontaktsituationen müssen Masken und Handschuhe als Schutz vorgeschrieben werden, in kontaktengen Bereichen auch durch Schutzbrillen und Schutzbekleidung ergänzt. Und das sollte nicht nur für das Personal im Krankenhaus gelten.
Wer sich im öffentlichen Raum, bei Versammlungen oder in Unternehmen befindet und dabei anderen Menschen nahe kommt, muss sich schützen. Dazu gehören beispielsweise Polizisten und Bahnschaffner. Aber auch andere Bereiche sind zu schützen. So die Verkäuferin an der Kasse und ihre Kunden; beide müssen Masken und Handschuhe tragen, denn beide kommen sich nahe, fassen dieselbe Ware an und übergeben Bargeld.
Jeder, der sich im öffentlichen Raum bewegt, muss Mundschutz tragen.

4. Fieberkontrollen durchführen

Mit Fieberkontrollen können Infizierungskandidaten vorselektiert werden. Das betrifft vor allem größere Ansammlungen von Personen, z.B. an Bahnhöfen, in Restaurants oder bei Veranstaltungen. Kontaktketten werden so verkürzt, da potentiell Infizierte eher erkannt und früher isoliert werden, bevor der Test Klarheit schafft.

5. Abstands-Etikette durchsetzen

Egal wo Menschen zusammenkommen, immer sind die Distanz-Regeln einzuhalten. Am besten sollte zwischen zwei Personen ein Abstand von 2 Metern eingehalten werden. In Schlangen sind dafür Markierungshilfen notwendig. In Sitzreihen und an Tischen sind die Abstände ebenfalls zu beachten. An dieser Stelle hat sich in den letzten Tagen die Einstellung der Menschen zum Positiven verändert.

6. Kontakte minimieren

Wenn wir die Wirtschaftstätigkeiten trotz Corona-Virus aufrecht erhalten wollen, damit die Wirtschaft nicht zusammen bricht, müssen wir weiterhin die Kontakte auf ein Minimum reduzieren. Im Internetzeitalter kann Arbeit im Home-Office erledigt werden und Konferenzen können über Videoschaltungen abgehalten werden. Der Staat sollte diese Maßnahmen finanziell fördern.

Ein Wechsel der Herangehensweise ist dringend notwendig.

Mit den ersten vier Maßnahmen würde ein Strategiewechsel eingeleitet: Die Wirtschaftstätigkeit kann auf breiter Front wieder aufgenommen und damit der Zusammenbruch der Wirtschaft verhindern werden. Die Isolierung der Hochrisiko-Gruppe erzielt dafür die stärkste Wirkung..

Dieser Strategiewechsel ist wichtig, denn die aktuellen Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens und vieler Wirtschaftstätigkeiten sind zwar der richtige Einstieg, liefern aber keine wirtschaftliche Perspektive für die nächsten Monate.

Ein längeres Herunterfahren der Wirtschaft wird alle treffen - einige früher, andere später. Ausbleibende Nachfrage wirkt über die Wertschöpfungskette wie ein Dominoeffekt. Ein Beispiel: Wenn keine Kleider mehr gekauft werden, machen Firmen zu; zunächst trifft das den Einzelhandel, danach die Hersteller, die Designer, die Lieferanten von Stoffen, von Nähmaschinen ... schließlich die Kreditgeber und die Steuerberater.

Das Hochfahren der Wirtschaft nach einer längeren Pause wird schwierig werden, wenn Firmen in der Wertschöpfungskette weggebrochen sind, weil sie aufgegeben haben oder in Insolvenz gegangen sind. Auch einige Arbeitnehmer werden nicht mehr verfügbar sein. Daher darf die Unterbrechung nicht zu lange dauern.

Was muss der Staat anders machen?

Unsere Regierenden unterliegen einem Irrtum. Sie glauben, mit Geld die Wirtschaftsleistung ersetzen zu können. Finanzielle Unterstützung kann Wirtschaftsleistung anschieben, schwierige Zeiten überbrücken, aber nicht die Wertschöpfung ersetzen.

Der Fokus muss auf dem Wiederanlauf der Wirtschaft liegen - fortdauernde Kontaktsperren für alle bewirken das Gegenteil.

Ein beherztes Eingreifen des Staates ist jetzt notwendig. Dabei müssen Gesundheit und Wirtschaft gleichzeitig im Blickfeld bleiben. Es sind Maßnahmen gefordert, die beiden gerecht werden.

Kontaktsperren und Finanzpakete sind zu wenig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kritikaster

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