Der getunte Arbeitsmarkt

Marktwirtschaft. Zu den schutzbedürftigen Märkten gehört der Arbeitsmarkt. Dieser hat eine Sonderstellung unter den verschiedenen Markttypen. Das Prinzip ARBEITSZEIT-SPLITTING hilft.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Unerwünschte Schieflagen auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen - das Prinzip Arbeitszeit-Splitting.

Deutschland erlaubt das Handeln auf Swap-Märkten und verbietet das Handeln mit Drogen. Beides birgt Risiken für die Gesellschaft. Der Gesetzgeber kann Märkte eingrenzen, um solche Schieflagen zu vermieden.

Welche Schieflagen sollen bekämpft werden?

Zu den schutzbedürftigen Märkten gehört der Arbeitsmarkt. Dieser nimmt eine Sonderstellung unter den verschiedenen Markttypen ein. Menschen ohne Arbeit haben keine Einkünfte und geraten in eine soziale Schieflage.

Was ist das Besondere und worin liegen die Gefahren?

Freie Märkte balancieren Angebot und Nachfrage mit Hilfe des Preises ins Gleichgewicht. Das kann aber auch heißen: Verschwindet die Nachfrage, verschwindet das Angebot. Anders als auf den Güter-Märkten kann das Angebot der Arbeitskräfte nicht reduziert werden. Fehlen Arbeitsplätze, bestimmt dies die Anzahl der Arbeitslosen. Dieses permanente Ungleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt hat jedoch weitreichendere Konsequenzen als auf den Güter-Märkten.

Gehen Arbeitsplätze verloren, gehen auch die Einkünfte für die Betroffenen verloren. Der Sozialstaat springt ein und zahlt soziale Leistungen. Der Staat finanziert diese Leistungen über Steuern und Abgaben.

Es gibt aber auch andere Effekte: Ohne Arbeit zu sein macht seelisch krank. Mehr als ein Drittel der Hartz-IV-Empfänger leidet darunter, so eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie der Universität Halle-Wittenberg aus 2013. Die Betroffenen fühlen sich ausgegrenzt und belasten die Krankenkassen. Manche wandern in die Kriminalität ab. Dies verursacht neben den Schäden auch Kosten der Kriminalitätsbekämpfung.

Bestimmte Gruppen trifft die Arbeitslosigkeit am stärksten: die Jungen nach der Ausbildung, die Älteren über 50, unzureichend Ausgebildete, Arbeitsuchende mit ausländischen Wurzeln und Frauen nach der Mutterzeit.

Deutschland versucht das Problem nach der Robin-Hood-Methode zu lösen: Wer Arbeit hat oder gewährt, zahlt Abgaben -- wer arbeitslos ist, bekommt Stütze.

Das wird als sozialer Fortschritt gefeiert. Diese Lösung hat aber gravierende Nachteile: Die einen mit Arbeit leisten mehr, um die anderen ohne Arbeit bezahlen zu können. Derzeit wird ein Arbeitsloser bzw. Sozialhilfeempfänger von 6 Arbeitnehmern „finanziert“. Der Staat hat für diese Umverteilung einen großen, kostenintensiven Apparat aufgebaut.

Das sollte Grund genug sein, bessere Lösungen zu finden. Ein Lösungsansatz ist es, die Arbeit anders zu verteilen – möglichst auf Alle.

Wie also lässt sich Arbeit anders verteilen?

Leider werden weniger Arbeitskräfte gesucht als der Arbeitsmarkt benötigt. Das gilt dauerhaft; im Zeitverlauf ändert sich nur die Anzahl der Arbeitslosen. Die zunehmende Automatisierung wird das Angebot an Arbeit weiter verkleinern. Mehr Arbeitsstellen entstehen jedoch, wenn die Arbeit auf mehr Teilzeitstellen aufgeteilt wird.

Was bewegt Arbeitgeber mehr Teilzeitstellen zu schaffen?

Löhne sind mit vielen Abgaben belastet: Neben Steuern sind dies Abgaben für Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung. Hier kann der Staat eingreifen und neue Anreize setzen.

Der Lösungsweg heißt Arbeitszeit-Splitting.

Das Arbeitszeit-Splitting teilt die volle Arbeitszeit einer Arbeitskraft auf in Primär- und Sekundär-Zeit. Die Primärzeit kostet weniger Abgaben für die Unternehmen und die Arbeitnehmer.

Das Arbeitszeit-Splitting wird Unternehmen bewegen, die Arbeitsplätze in Teilzeitjobs aufzuteilen. Für diese Teilzeitjobs werden vorrangig Arbeitnehmer mit Primärzeit gesucht, um Kosten im Unternehmen zu sparen. Die Verteilung der Arbeit wird auf mehr Personen gespreizt. Das ist eine neue Chance für Mütter und Ältere, die nach Teilzeitjobs suchen. Auch die Jungen finden so den bezahlten Einstieg in den Arbeitsmarkt. Damit öffnet sich für alle Arbeitssuchende die Chance, Arbeit für Ihre Primär-Zeit zu finden.

Wer bezahlt die Zeche und wer gewinnt?

Die Abgaben für die Arbeitslosenversicherung werden niedriger ausfallen. D.h. die Arbeitnehmer erhalten mehr netto bzw. die Arbeitgeber sparen Kosten.

Einige Vollzeitkräfte sind die Verlierer, deren Arbeitszeit wird auf Teilzeitkräfte umverteilt. Ein Beispiel: Beträgt die Primärzeit 75% der Vollzeit, dann müssen 3 Vollzeitkräfte auf Primärzeit reduziert werden, damit ein Arbeitsloser eingestellt wird. Für 3 Millionen Arbeitslose müssen 9 Millionen verzichten – dann sind alle beschäftigt.

Andererseits gibt es einige Arbeitnehmer wie junge Eltern, die Teilzeitjobs suchen. Ähnliches gilt für ältere Arbeitnehmer über 50. Auch ist eine Kombination von Teilzeit und Teil-Rente denkbar. Ehepaare ohne Kinder könnten mit je einer Dreiviertelstelle zufrieden sein. Diese Beispiele verweisen auf weitere Gewinner des Systems.

In 2014 betrugen die Abgaben für die Arbeitslosenversicherung rund 35 Mrd. Euro. Dazu kommen eingesparte Steuermittel der Kommunen für Sozialhilfeempfänger, wenn ein Teil dieser Empfänger in den Teilzeit-Arbeitsmarkt aufgenommen werden kann. Damit lässt sich eine Menge bewegen und gestalten.

Was passiert mit den Kosteneinsparungen der Unternehmen?

Diese zahlen die Unternehmen als Beitrag in einen Arbeitnehmer-Fonds. Diese Einlagen wandern in die Unternehmen zurück als Unternehmensbeteiligung der Arbeitnehmer - die Einlagen werden also in eine Vermögensbildung umgewandelt. So erhalten die Unternehmen Eigenkapital, das den Arbeitnehmern gehört. Die Arbeitnehmer sind an den Unternehmen beteiligt und erzielen daraus Einkünfte und nehmen am Unternehmenswachstum teil. Der Effekt ist nachhaltig und löst das Problem der sich öffnenden Einkommens- und Vermögensschere.

Hier öffnet sich ein weites Feld, das einer intensiven Analyse bedarf und viel Kreativität zulässt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kritikaster

Auf der Suche nach Lösungen für unsere Zukunft

kritikaster

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden