Das Wirtschaften nach Marktregeln ist eine junge Erfindung und nur wenige verstehen, wie die Erfindung funktioniert.
Vor 7.000 Jahren begannen die Menschen mit Ackerbau und Viehhaltung. Mit den erwirtschafteten Überschüssen startete ein reger Warentausch. Mit der Erfindung des Geldes vor rund 2.500 Jahren wurde das Tauschen einfacher. Der Ort an dem der Tausch stattfindet, wird Markt genannt. In den Städten des Mittelalters entstanden vor 1.000 Jahren die Marktplätze für den regelmäßigen Warenhandel.
Erst die Demokratie ermöglicht den freien Zugang zu Märkten. Dort regelt der Preis den Tausch: Gibt es mehr Käufer, als Ware angeboten wird, steigt der Preis. Umgekehrt sinkt der Preis, wenn Ware auf zu wenige Käufer trifft. Die Ökonomen sprechen von der freien Marktwirtschaft – das Prinzip: der Preis reguliert den Ausgleich von Angebot und Nachfrage.
Dazu kommt: Der Handel auf Märkten erfolgt gewaltfrei und beide Seiten halten das Ergebnis für einen Erfolg - neudeutsch sprechen wir von einer „Win-Win-Situation“. Diese gewaltfreie Interaktion macht die Marktwirtschaft zu einer friedensstiftenden Erfindung der Menschen - eine herausragende Errungenschaft in der kriegsgeprägten Geschichte der Menschheit. Krieg tötet Menschen und zerstört Vermögen; Marktwirtschaft schafft Güter, Vermögen und zufriedene Menschen. Die Marktwirtschaft zivilisiert die Völker. Das wusste schon Karl Marx.
Gerademal vor 200 Jahren entstanden erste moderne demokratische Staaten, die den freien Zugang zu Märkten zuließen. Auf breiter Front durchgesetzt hat sich die Entwicklung in den westlichen Ländern nach dem zweiten Weltkrieg. Den Zusammenhang zwischen Demokratie, Marktwirtschaft und Wohlstand zeigt ein Blick in die Rangliste mit dem Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Die ersten 30 Plätze dominieren demokratische Staaten. Nur rohstoffreiche Ölstaaten ohne Demokratie schieben sich dazwischen.
Das einfache Prinzip des freien Marktes begegnet uns täglich. Für gefragte Wohnungen wird eine höhere Miete verlangt und zur Urlaubs- und zur Messezeit sind die Hotelzimmer teurer. Umgekehrt werden Autos mit hohen Rabatten verkauft, wenn sich wenige dafür interessieren. Was viele kaufen wollen, davon wird mehr produziert; was keiner haben will, verschwindet vom Markt. Das Prinzip steuert wie eine unsichtbare Hand das Geschehen auf den Märkten.
Der freie Markt hat Deutschland Wohlstand gebracht; er hat sich in fast allen Lebensbereichen durchgesetzt. Man sollte annehmen, der freie Markt ist ein Erfolgsmodell, das viele Anhänger hat und das jeder Bürger verinnerlicht hat.
Doch weit gefehlt. Die meisten verstehen das Prinzip nicht. So berichten die ARD jedes Jahr entrüstet in den Nachrichten, wenn zum Beginn der Sommerferien die Benzinpreise steigen. Nach der Einführung des Euro wurde häufig die preissteigernde Wirkung des Euro gemutmaßt – unverständlich für den, der das Prinzip der Preisbildung auf dem Markt verstanden hat.
Die freie Marktwirtschaft ist häufig heftiger Kritik ausgesetzt - vor allem dann, wenn dabei Kapitalismus als unbeherrschbares Monstrum diskutiert wird. Kapitalismus basiert auf dem Marktprinzip und dem Privateigentum. Der freie Zugang zu Märkten bedingt Privateigentum der gehandelten Güter und der Mittel zur Produktion der Güter. Was aber die meisten Kritiker stört, sind zwei Dinge: die ungleiche Verteilung des Eigentums und Ungleichgewichte im Markt. Bedauerlicherweise wird zwischen Grundprinzip und Exzess kaum unterschieden. Zum Grundprinzip gibt es keine Alternative. Dem Exzess kann jedoch Einhalt geboten werden.
Um die Ursachen für Exzesse zu erkennen, muss man den Wettbewerb als Element der Marktwirtschaft verstehen. Märkte erzeugen Wettbewerb. Je höher der Wettbewerb, desto stärker der Druck auf den Preis, der Gewinn sinkt oder wird zum Verlust. Wettbewerb erzeugt im positiven Sinne Kreativität: Anbieter spezialisieren ihre Produkte oder erfinden neue Produkte. Im negativen Sinn versuchen Marktteilnehmer den Wettbewerbsdruck zu umgehen durch Verdrängung, Absprachen oder falsche Informationen.
Und dann gibt es noch eine Regel in der Marktwirtschaft: Der Markt belohnt die Großen. Marktentwicklungen sind unberechenbar und belohnen Trends. Stoßen Angebote auf eine große Nachfrage, beschert dies dem Anbieter hohe Marktanteile, große Gewinne und schließlich schnelles Wachstum. Ein aktuelles Beispiel ist Google. Neben Marktmacht kumuliert sich Kapital, das für Expansion in Märkte und Exploration von neuen Märkten eingesetzt werden kann. Es entstehen Konzerne, die überproportional am Marktwachstum teilhaben und überdurchschnittliche Gewinne erzielen. Sie erzielen Dominanz nicht nur in Märkten, sondern entziehen sich in der globalisierten Welt den nationalen rechtlichen Einschränkungen. Sie haben Geld für Studien und Meinungskampagnen (Zucker ist gesund) und für Lobbyisten, die die Gesetzgebung beeinflussen.
Wenn der Staat den Wettbewerb in den Märkten erhalten will, muss er das Gleichgewicht in den Märkten stützen und die aufgezeigten, einseitigen Entwicklungen einschränken. Wenn der Staat Rahmenbedingungen für Märkte setzt, können die Schieflagen vermieden werden. Die Ökonomen sprechen vom ordnungspolitischen Rahmen für die Marktwirtschaft. Manche fassen dies unter dem Begriff „soziale Marktwirtschaft“ zusammen.
Zur Beeinflussung von Märkten hat der Staat drei Instrumente: Verbote, Abgaben und Subventionen. Er sollte diese Instrumente vorrangig in den Bereichen einsetzen, die unerwünschte Schieflagen aufzeigen. Dazu gehören: überflüssige und überschäumende Märkte, Oligopole und Monopole, Arbeitsmarkt sowie Unternehmenseigentum. Hier liegt das Aufgabenfeld von Gesetzgeber und Regierung.
Die Prinzipien des freien Marktes sind einfach, aber auch anfällig für Schieflagen. Wir müssen den freien Zugang zum Markt und das Privateigentum schützen und gleichzeitig den ordnungspolitischen Rahmen für das Marktgleichgewicht gestalten. Diese Aufgaben kann die Demokratie bewältigen. Der ordnungspolitischen Rahmen sollte den Diskurs bestimmen und das Marktverständnis zur Allgemeinbildung gehören. Das hat die verkannte Errungenschaft Marktwirtschaft verdient.
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