Ein Aufschrei gegen und für die Homöopathie schwappt mal wieder hoch, seit der bayerische Landtag untersuchen lassen will, ob homöopathische Mittel eine Alternative zu Antibiotika sind, und nachdem die Grünen das Thema auf ihrem Parteitag gerade noch unterdrücken konnten.
Dieser Hahnenkampf soll hier nicht befeuert werden. Die Gegner proklamieren, „Zuckerkügelchen ohne Wirkstoff können keine arzneiliche Wirkung haben“. Die Befürworter pochen auf ihre individuelle Heilungserfahrung.
Dabei wird (im Kampfgetöse) übersehen, die Homöopathie hat eine „versteckte Wirkung“ und unterliegt zugleich einer „wissenschaftlichen Ignoranz“. Diese Versäumnisse werden im Streit vernachlässigt.
Wo liegen die Versäumnisse?
Der eingeschränkte Behandlungsansatz der Schulmedizin
Die nachgewiesene Wirkungsgleichheit von Globoli mit dem Placeboeffekt lässt Fragen unbeantwortet: Welche Wirkung entfaltet der Placeboeffekt? Wie wirkt er im Vergleich mit der „Pharma-Behandlung“?
Beim Vergleich mit der Schulmedizin lässt die Homöopathie zwei „versteckte“ Behandlungs-Ansätze vermuten: Der Homöopath bespricht eingehend die Probleme und Beschwerden seines Patienten und in der „wirkungslosen Zeit“ der verschriebenen Globoli bekommt der Körper Zeit, seine Heilungskräfte zu entfalten.
Beide Behandlungsmethoden vergütet unser Gesundheitswesen dem Schulmediziner nicht. Schlimmer, das Gesundheitswesen ignoriert die vermuteten Wirkweisen, ohne zu wissen, was damit eingespart werden könnte. Viele Fragen bleiben offen:
Wie viele überflüssig verschriebene Medikamente könnten eingespart werden? Wie viel Zeit für Beratung und Ratschläge sollte der Arzt den Patienten widmen, um dessen „Körperheilung“ zu aktivieren. Wogegen entwickelt der Körper wirksame Heilkräfte? Kommt vom gemeinen Mediziner der Rat, eine Erkältung durch viel Schlaf, viel Trinken und wenig Essen zu kurieren? Oder wann verordnet der Hausarzt Bewegung und kennt der Schulmediziner die Wirkung von Heilfasten?
Doch wie beide Effekte – Zuwendung und Zeit-lassen – auf die Heilkraft des Körpers wirken, bleibt im Verschwommenen. Die Mediziner-Ausbildung vermittelt beide Wirk-Ansätze nicht oder nur rudimentär. Und darüber wird kaum geforscht – das eigentliche Problem.
Das Defizit an geeigneten Studien
Das Geld für Studien ist nur einseitig vorhanden. Die medizinische Forschung ist weitgehend auf die Pharmaindustrie reduziert. Die Pharmaindustrie kann an Medikamenten-fernen Studien nicht verdienen und unterlässt daher, dort zu forschen. Die staatliche geförderte Forschung tut es auch nicht bzw. ist vom Umfang her unbedeutend gegenüber der industriellen Forschung.
Da sind neue Finanzierungskonzepte notwendig. Krankenkassen haben kein Geld übrig für die Forschung – wäre aber nicht verkehrt. Vielleicht können wir von Italien lernen, wie man unabhängige Forschung finanziert.
Das erläutert Wikipedia: „Die Forschung über die Anwendung von Arzneimitteln ... wird in der EU nicht einheitlich gehandhabt. Während z. B. in Deutschland diese Forschung nahezu ausschließlich von Pharmaunternehmen betrieben wird, müssen z. B. in Italien die Pharmaunternehmen einen Teil ihrer Marketingausgaben in einen Fonds einzahlen. Aus diesem Fonds werden dann unabhängige Studien zur Arzneimittelanwendung finanziert."
Der Homöopathie wird die fehlende wissenschaftliche Grundlage vorgehalten. Die muss weiterhin eingefordert werden, bevor die Anerkennung und Bezahlung von Krankenkassen ein gangbarer Weg sein darf.
Aber gleichzeitig muss die schulmedizinische Seite aufwachen. Die medizinische Forschung muss von der Dominanz der Pharmaindustrie befreit werden. Notwendig sind Studien, die sich mit den nicht-pharmazeutischen und Apparate-fernen Behandlungsmethoden beschäftigen. Ein Forschungs-Fonds a la Italien könnte das leisten.
Der Blick auf Lebensbedingungen und Lebensweise fehlt
Und wann lernen Mediziner, die Gesundheitspolitiker und die Krankenkassen, dass Lebensbedingungen bzw. Lebensweise nicht unwesentlich die Kosten der Gesundheit bestimmen?
Unser Gesundheitswesen wartet auf das Krank-werden seiner versicherten Bürger. Maßnahmen zur Vorsorge, Vorbeugung und Eigenverantwortung spielen kaum eine Rolle.
Aber dieses weitere Defizit unseres Gesundheitswesens ist ein separates Thema.
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