Kann Marktwirtschaft Öko?

Markt und Ökologie: Passen beide zusammen? Eher nicht, denn Ökologie kostet. Doch Märkte lassen sich ökologisch einnorden, am effizientesten mit Markt-Prinzipien. Die Politik ignoriert das.

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Seit den Demonstrationen von Fridays-for-Future schwappt die Diskussion bis in die Mitte der Gesellschaft: Wie können wir die Erde als Lebensgrundlage erhalten, unsere Zukunft retten? Wir plündern gemeinsam die Erde, haben aber divergierende Vorstellungen, ob und wie wir das beenden wollen. Einige setzen auf freiwilliges Einlenken von Unternehmen und Verbrauchern. Andere wollen Braunkohle-Verstromung einstellen oder Verbrennungsmotoren verbieten – in einigen Jahren. Steuer-Aufschläge auf Öko-feindliche Produkte sind umstritten.

Wie können wir „schädliches Verhalten“ los werden, wenn die meisten daran festhalten: Plastiktüten, Autos, Flugreisen?
Wie können wir viele Verbraucher bewegen, „schädliches Verhalten“ zu reduzieren oder darauf zu verzichten?

Aber in diesen Fragestellungen zeigt sich unsere Schizophrenie: Die Mehrheit unterstützt ökologische Ziele, setzt sie jedoch beim Kaufen nicht um – der höhere Preis steht im Weg. Das zeigt eine Untersuchung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Wie Verhaltensänderung auf breiter Front erreichbar ist, lernen wir bei einem Blick auf die Markt-Prinzipien. Hier steht eine Kurzfassung dazu.

Marktwirtschaft hat sich als effizientestes Wirtschaftssystem durchgesetzt, um die Nachfrage zu befriedigen. Sie hat uns den Wohlstand unserer Volkswirtschaft in den letzten Jahrzehnten beschert. Das liegt an den Markt-Prinzipien. Diese sind eindimensional auf Gewinn (Umsatz minus Kosten) ausgelegt. Unnötige Kosten werden tunlichst vermieden, so auch ökologische Kosten.

Wie funktionieren die Markt-Prinzipien?

Auf Märkten wird getauscht: Ware oder Dienstleistungen gegen Geld. Dafür müssen drei Komponenten zusammenspielen: Angebot eines Verkäufers, Nachfrage eines Käufers und der Preis, zu dem getauscht wird. Das Zusammenspiel wird beeinflusst durch die Anzahl Verkäufer und Käufer. Sie stehen im Wettbewerb.

Der Klassiker „Wochenmarkt“ zeigt die Rollenverteilung. Die Verkäufer stehen hinter ihren Ständen und bieten ihre Ware feil – das Angebot. Die Käufer schlendern entlang der Stände und vergleichen die Ware, nach der sie suchen – die Nachfrage. Ist ein Käufer mit Preis und Produktqualität zufrieden, kommt es zum Kauf (Tausch Ware gegen Geld). Die Verkäufer stehen im Wettbewerb untereinander und jeder hofft, bei den Käufern mit seinen Produkten und Preisen zum Zuge zu kommen.

Wie reagieren die Marktteilnehmer auf die Prinzipien?

  • Die Firmen (Anbieter) sind auf die Wünsche der Käufer (Nachfrage) fixiert und tun alles (manchmal auch Illegales), um die Ware an den Mann zu bringen. Dabei versuchen sie, einerseits die „Besonderheit ihres Angebotes“ herauszustellen und andererseits mit möglichst geringen Kosten ihr Angebot herzustellen. Dabei gilt, nur eine hohe Anpassungsfähigkeit hilft, der sprunghaften Nachfrage zu folgen. Über allem das Ziel: Möglichst Gewinn machen. Diese Fokussierung auf Nachfrage und Gewinn ist der Treibriemen. Denn machen Firmen Verluste, werden sie am Ende den Markt verlassen müssen.
  • Der Käufer sucht nach einem gewünschten Produkt und überlegt, welchen Preis er dafür zahlen will. Er versucht dabei gut abzuschneiden, möglichst wenig zu zahlen - ein Schnäppchen zu machen. Die Motivation der Kaufentscheidung ist vielfältig und nicht kalkulierbar. Nur für wenige Käufer spielen Produktqualität oder Trend das Hauptkriterium. Aber der Preis wird immer mit bedacht, spätestens beim Kaufabschluss.
  • Und beide Seiten suchen für sich den „optimalen“ Preis. Der Käufer sucht das günstigste Angebot und der Verkäufer lotet den Spielraum nach oben aus. Der Preis ist ausschlaggebend für den Abschluss eines Kaufes.

Die Rolle des Preises wird auch auf unserem Wochenmarkt erkennbar. Bioprodukte sind teurer als konventionelle Produkte. Obwohl Bioprodukte als gesundheitsfördernd betrachtet werden, finden sie nur wenige Käufer, da der geringere Preis der konventionellen Produkte meist ausschlaggebend ist – der Käufer will sparen.

Die spannende Frage: Würden mehr Bioprodukte gekauft werden, wenn der Preis niedriger, also vergleichbar mit dem Preis für konventionelle Produkte wäre? Die Markt-Prinzipien sagen ja. Den Ausschlag bei Preisgleichstand gibt jetzt die Produktpräferenz. Die Tendenz zu Bioprodukten wäre noch größer, wenn deren Preis unterhalb dem Preis für konventionelle Produkte läge.

Das zeigt eine Umfrage: "Nur jeder Vierte is(s)t Öko: Studie zu Bio-Lebensmitteln"

Das Preis-Prinzip lautet:
Steigt der Preis, so sinkt die Nachfrage und sucht nach Alternativen. Und umgekehrt: Sinkt der Preis, so steigt die Nachfrage. Preisveränderungen bewegen uns zu einer Umorientierung beim Kauf.

Dieses Preis-Prinzip kann sich der Staat zunutze machen, denn er ist ein unsichtbarer Mitspieler auf dem Markt.

Der Sachsenkönig August der Starke führte in Deutschland als einer der ersten Fürsten die Generalkonsumtionsakzise ein, eine verbrauchsorientierte Steuer - heute Umsatzsteuer genannt. Dieser Aufschlag auf jedes Marktgeschäft erhöht den Preis und beeinflusst somit indirekt die Nachfrage. Da aber fast alle Produkte und Dienstleistungen der Umsatzsteuer unterliegen, relativiert sich der Einfluss. Wie der Sachsenkönig verfolgt der Staat noch heute mit der Umsatzsteuer und weiteren Verbrauchssteuern das Ziel, seinen Haushalt zu finanzieren. Sie liefern etwa ein Drittel des Steueraufkommens in Deutschland.

Die Zahlen zum Steueraufkommen listet Wikipedia auf.

Neben der Umsatzsteuer erhebt der Staat weitere Verbrauchssteuern auf den Handel mit verschiedenen Produkten wie Kaffee und Tabak oder Energieerzeugnisse (EU-Richtlinie) – alle zur Aufbesserung der Haushaltskasse.

Einzig die Alkopopsteuer von 2004 wurde gezielt zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor den Gefahren des Alkoholkonsums geschaffen. Die Lenkungsabsicht: Die Preise von Alkopop sollten verteuert werden, damit diese bei jungen Menschen beliebten alkoholhaltigen Getränke nicht mehr gekauft werden. Hier wurde auf das Preis-Prinzip gesetzt, ohne das Prinzip zu Ende zu denken. Die jungen Leute trinken weniger Alkopop, weichen aber auf andere alkoholische Getränke aus.

Was sind die Bedingungen, damit die Verbrauchssteuern als Preisaufschläge eine Lenkungswirkung erzielen?

Erstens. Der höhere Preis (Malus) dämpft die Nachfrage nur dann, wenn der Verbraucher auf ein Produkt verzichten kann oder auf ein alternatives Produkt ausweichen kann.

Zweitens. Das alternative Produkt muss vom Preis her wettbewerbsfähig sein. Daher kann zusätzlich ein Preisabschlag (Bonus) auf das alternative Produkt notwendig sein.

Drittens. Der Nachfragedruck wird dynamisch aufgebaut durch wachsende Aufschläge auf der Zeitachse. Das drückt nachhaltig auf den Anpassungseffekt bei Firmen und Verbrauchern.

Viertens. Die Zusatzeinnahmen des Staates werden als „Schmiermittel“ für die Anpassung zurückgegeben: als Anreiz für die Entwicklung bzw. zur Preissenkung alternativer Produkte oder als Ausgleich für soziale Härten.

Unter den genannten Bedingungen wird Einpreisen ökologischer Kosten zum Königsweg der Verhaltensänderung. Die Belastung der Wirtschaft zielt auf Anpassungsdruck, nicht auf Mehrkosten.

Dieser Lenkungsmechanismus heißt dynamische Bonus-Malus-Regelung.

Am Beispiel CO2-Steuer können die Bedingungen plausibel gemacht werden. Die CO2-Steuer wird auf den Ausstoß pro Tonne CO2 berechnet - z.B. 30, 60, 90 oder 180 Euro pro Tonne. Letztere Preis ist die Forderung von Fridays for Future; der Wert basiert auf dem kalkulierten Schaden von einer Tonne Kohlendioxid gemäß einer Berechnungen des Umweltbundesamts.

180 Euro pro Tonne CO2 entsprechen dem Aufpreis von 0,47 Euro pro Liter Benzin. Bei 60 Euro pro Tonne sind es Zusatzkosten von 0,16 Euro pro Liter.

Eine Analyse der CO2-Aufschläge erstellte der Münchner Merkur.

Die Verbrennung fossiler Stoffe wie Kohle, Öl und Gas sind die Hauptverursacher von CO2. Die Preise für den Verbraucher steigen dann an den unterschiedlichsten Stellen: beim Strombezug, beim Benzin und Diesel, aber auch bei den Heizkosten und bei Produkten, die mit Hilfe der fossiler Produkte industriell erstellt werden.

Der Nachfragedruck erlaubt nicht in allen Fällen ein preiswertes Ausweichen auf alternative Produkte. Es müssen Umstiegs-Szenarien bedacht werden.

> Beispiel Autosprit:
Benzin und Diesel kann vom Verbraucher auf 2 Wegen eingespart werden: weniger Autofahrten oder Umstieg auf alternative Verkehrsmittel wie E-Auto oder öffentliche Verkehrsmittel. Oft wird es ein Mix daraus sein. Die Alternativen haben Haken: Für den Umstieg auf ein E-Auto muss die Anschaffung eines neuen Autos anstehen und der Preis für ein E-Auto muss vergleichbar sein. Der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel ist auf dem Land schwieriger und kann die Fahrt zur Arbeit selten ersetzen.
Daher muss die Umstiegs-Situation mit bedacht und gefördert werden: Beispiel Umsatzsteuer-befreite Fahrkarten oder KM-Gutschriften auf Autofahrten zur Arbeit. Auch der Autokauf kann gelenkt werden: Steueraufschläge auf den Kauf von Autos mit Verbrennungsmotoren verbunden mit Abschlägen auf E-Autos (Beispiel Norwegen) beschleunigen den Umstieg.
Hier eine Erläuterung auf Youtube zu Maßnahmen in Norwegen.

> Beispiel Heizkosten:
Heizen mit Öl verursacht hohen CO2-Ausstoß. Die CO2-Steuer verteuert damit die Nebenkosten für Wohnungen mit Öl-Heizung. Nebenkosten können vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden. Der Mieter kann den Mehrkosten aber nicht ausweichen; es sei denn, er kündigt die Wohnung. Bleibt die CO2-Steuer jedoch beim Vermieter hängen (nicht umlagefähig auf den Mieter), steht der Vermieter unter dem Druck der erhöhten Kosten.

Die CO2-Steuer und die Umstiegshilfen müssen also so angelegt sein, dass eine Nachfrageverschiebung auf Produkte mit geringem oder ohne CO2-Ausstoß erreicht wird. Daher müssen auch Schlupflöcher bedacht werden - so die Besteuerung des Kerosin für Flugzeuge. Dort sollte die CO2-Besteuerung mit den Start und Landung auf deutschen Flughäfen verbunden werden, unabhängig vom Betanken des Flugzeugs.

Und der Staat muss die Mehreinnahmen in die Wirtschaft zurückgeben, z.B. als sozialer Ausgleich an Verbraucher oder als Förderung an Entwickler CO2-freier Produkte. Das gibt allen Wirtschaftsteilnehmern einen erhöhten Anreiz für den ökologischen Umstieg. Und vermeidet die Belastung der Wirtschaft mit Mehrkosten.

Die CO2-Steuer trifft alle Verbraucher, denn der Nachfragedruck wird bei jedem Kauf aufgebaut. Die Reaktionen der Verbraucher werden unterschiedlich sein. Aber sie greifen ab dem ersten Tag der Gültigkeit und nicht erst in der Zukunft, wie bei einem Verbot von Verbrennungsmotoren in 10 oder mehr Jahren.

Die Umsetzung ist einfacher und schneller als bei Verboten. Verbote benötigen komplexe Ausführungsbestimmungen, oft mit verzögerter Wirkung in der Zukunft und oft verbunden mit schwierigen Festlegungen von Grenzwerten und einem speziellen Kontrollverfahren (siehe Feinstaub).
Die Gesetze für die CO2-Steuer fokussieren sich auf die Festlegung der dynamischen Steuersätze pro Tonne CO2 und die betroffenen Produkte. Der Aufwand steckt dort in der Gestaltung der Umstiegs-Szenarien. Auch das Nachbessern kann frühzeitig erkannt und angegangen werden, sobald die anvisierte Wirkung nicht greift.

So wird das Einpreisen ökologischer Kosten zum Königsweg der Gestaltung – schnell, effizient und trifft alle:

Angebot und Nachfrage orientieren sich am Preis. Der wirkungsvollste Weg die Nachfrage zu beeinflussen ist das Drehen an der Preisschraube. Steuern oder Abgaben wirken direkt, betreffen alle Marktteilnehmer und können dynamisch angepasst werden. Das Einpreisen ist außerdem ein Antrieb für Unternehmen, preiswerte Alternativen zu (er)finden und auf den Markt zu bringen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

kritikaster

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