Arm, Reich und Revolutionen

Und die Mitte? :) Arm, Reich, Revolutionen, Krieg und Frieden. Und die Mitte? :) Eine Einschätzung mit Aristoteles's "Politik".

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Wann wurde in der staatstheoretischen und verfassungsethischen Wissenschaft eigentlich die Mitte entdeckt? Und wann, von einigen, wieder gestrichen?

Bei staatstheoretischen Werken muss man ja immer mit berücksichtigen wann und unter welchen Gesamtsituationen sie geschrieben wurden.

Das gilt auch für Aristoteles Werk „Politik“, das übrigens von seinem Umfang her ohne Anmerkungen auch „nur“ erträgliche 260 „Reclam“- Seiten umfasst. Hätte sein Werk die Zeit überdauert bzw. wäre es überhaupt gedruckt worden, wenn er die von ihm gestellte Frage (3.Buch; Punkt 10 direkt zu beginn), ob es gerecht wäre wenn Arme als Mehrheit in einer Demokratie das Vermögen der Reichen unter sich aufteilen, eher teilweise bejahend beantwortet hätte? Also zum Beispiel, dass zumindest jeder einen fairen Anteil aber eben auch die dann (Ex-) Reichen bekommt. Immerhin ist es wohl schwierig universell moralisch zu begründen, wieso einer von Geburt an ein Anrecht darauf haben sollte einen unfair großen Anteil an allem behalten zu dürfen. Hätte Aristoteles dann die Gelegenheit gehabt sein Gesamtwerk fertigzustellen und wäre es auch von Generation zu Generation weitergereicht worden? Das war ja nicht so ganz billig. Man weiß es nicht. Aber wohl er nicht.

Eine „tragende Mitte“ gab es damals ja, wie man „Politik“ entnehmen kann, noch nicht. Da gab es die arme Mehrheit und die Reichen. Und die Frage welche Staatsform mit welchen Verfassungsregeln denn nun wer einführen möchte und auch einführen kann.

Eine „Mitte“ ist, so weit ich weiß, tatsächlich erst nach dem Etablieren der ersten echten Mehrheitsdemokratien entstanden und dabei auch eine die sich durch Maßnahmen wie „Roosevelts New Deal“ gegenüber den „Nur Mehr ist Mehr“- Reichen zu behaupten wusste. Allerdings legt der Begriff der Mitte nahe, dass es auch weiterhin Arme gab und gibt. Zumindest relativ. Hier scheiden sich wohl Demokratien in zwei Gruppen. Echt soziale und „anständige“, um mal beim Vokabular meiner Aristoteles Übersetzung zu bleiben, bei denen es nicht mehr wirklich Arme gibt und der Unterschied zwischen Reich, Mitte und Arm nicht allzu groß ist. Und rein am Nutzen orientierte wo es nur drum geht dass jeder einzelne so viel wie möglich für sich rausschlägt und es noch für eine demokratische Mehrheit reicht auch mit Tricks und Täuschungen. Das wird dann immer wechselnde Nutzen- Koalitionen zwischen Arm, Mitte und Reich erzeugen. Zumindest bis es eine Seit geschafft hat die Verfassung oder gleich die Staatsform so zu verändern, dass sie nicht auf Mehrheitskoalitionen angewiesen ist. Aktuell wird so eine Strategie wohl vom AtlasNetwork und Co. verfolgt, zumindest lassen die Fakten mich Werte- gebunden zu keinem anderen Urteil kommen. Und natürlich hat auch immer das eher „oppositionell“ eingestellte Außen ein Interesse die Mehrheitsverhältnisse und Verfassungsanpassungen in ihrem Sinne mit zu gestalten. Und sei es nur um einen revolutionären Zusammenbruch wahrscheinlicher zu machen.

Auf all dies wurden und werden wir von seitens der aktuellen Regierung, der öffentlichen und auch der meisten privaten Medien nicht wirklich gut vorbereitet oder auch nur schlecht bis eher gar nicht informiert. Laut Aristoteles ist das immer ein sicheres Zeichen, dass man schon die an die (indirekt) Macht gelassen hat (hatte), die der aktuellen Staatsform und Verfassung eher ablehnend gegenüber stehen und etwas anderes anstreben.

Und wenn man bedenkt, dass wir gerade dabei sind als Europa in einem gemeinsamen Verfassungsraum zusammenzuwachsen und auch international so frei für die sind die es sich leisten können, wäre es nur noch ratsamer dass sich die Mehrheit mal hinreichend informiert. Auch schon aus eigenen Interesse um nicht nur eine Zeit lang gebraucht zu werden bis die neue Wunschverfassung in trocken Tüchern ist. Egal ob durch „Old Whig“- Reichen oder durch Zusammenbrechlassen- freudigem Außen. Dann gibt es auch wieder keine Mitte mehr.

Wobei ich wie schon oft gesagt auch kein Freund von einem verfassungstechnischen Blanko- Scheck zur Tyrannei der Mehrheit bin.

Also einen fairen Anteil an allem sollte jeder auf jeden Fall behalten können oder sich mit solch einem dem Mehrheitswillen handlungsfähig entziehen können, wenn er deren Willen für nicht mehr tolerierbar hält.

Zusammenfassend muss man eben leider sagen:

Das Leben duldet keine zu starke Unachtsamkeit oder Handlungsschwäche der zumindest noch tolerierbar Besonnenen, Anständig und relativ Geeigneten. Wenn die zu Unbesonnen, zu Unanständigen oder zu relativ Ungeeigneten zu lange an die Macht gelassen wurden, leben zu viele, eventuell für mehrere Generationen, wieder unter einer Tyrannei, wenn sie denn überhaupt noch leben können. Nach mehreren Blut, Schweiß und Tränen kämpfen, die man dann eventuell den nachfolgenden Generationen zumutet weil man es selbst dann nicht mehr schaffen konnte, wird es zwar wohl auch dann aus Werte- Sicht mit universell moralischem Selbstanspruch auch mal wieder zumindest tolerierbar sein, wenn der Planet und das Leben, dass den mitmacht.

Aber warum prüfen und handeln wir, also zumindest hinreichend viele, nicht jetzt schon wenn es noch unblutig und ohne zu viel Leid geht?

Wieso prüfen und schreiben nicht hinreichend viele über die Ideen und Ziele vom Atlas Network und Co.?

Wieso lassen sich zu viele vom kurzfristigen Profit verführen oder von der Angst zu wenig zu bekommen lähmen?

Leichter wird es nicht.

Besonnen, anständig und geeignet genug regieren heißt zu schauen, dass man selbst fair genug hat aber auch die anderen. Und sich keinen Ausreden wie dem angeblichen Automatismus des Marktes zum Wohle aller hingeben oder mit unnötig Unzureichendem, eventuell noch verschleiert durch Schein- Geschichten. Und man braucht eine Verfassung die so etwas weitgehend gewehrleistet und sei es als letztes Mittel nur durch das wichtige Recht des Ausgründens mit einem fairen Anteil an allem, wenn man die Verfassung und die Regierenden für nicht mehr tolerabel hält.

Lasst euch nicht zu einer unfairen oder unsolidarischen Nutzenunion zwischen wirtschaftslibertären Reichen, Armen und „Mittleren“ verführen.

Sonst ist von „Krieg und Frieden“ bald wieder ersteres das wahrscheinlichere und in gewissen Maßen auch das legitimere.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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