Die "Idee des Sozialismus" von Axel Honneth

Soziale Freiheit Experimentieren, demokratische Kommunikationsbarrieren beseitigen und Verbündete finden

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ich hatte mir gestern mal einen ganzen Tag Zeit genommen das Buch „Die Idee des Sozialismus“ von Axel Honneth (https://de.wikipedia.org/wiki/Axel_Honneth), Sozialphilosoph, zu lesen.

In diesem Buch, ursprünglich aus dem Jahr 2015, als erweitere Ausgabe aus dem Jahr 2017, hatte sich Prof. Honneth das Ziel gesetzt, den Sozialismus durch Herausstellen seines, nach seiner Meinung, wesentlichen und wichtigsten Kerns, der „sozialen Freiheit“, von der starren Bindung an seine „ursprünglichen drei Grundannahmen“, die heute so nicht mehr zutreffen würden, zu befreien.

Unter „Sozialer Freiheit“ versteht er dabei, die direkte Verbindung der „(individuellen) Freiheit“, mit den anderen beiden Zielen der Französischen Revolution, „Brüderlichkeit“ und „Gleichheit“. Wobei es ihm vor allem um die „Brüderlichkeit“ geht.

Hierbei soll, anders als in der kapitalistischen Marktwirtschaft, nicht mehr jeder einfach nur seine eigene persönliche Freiheit dazu verwenden, möglichst viel Profit für sich selbst zu erwirtschaften, ohne dabei von staatlichen Institutionen „gestört“ zu werden, in der Hoffnung ,dass die „unsichtbare Hand“ des Marktes sich dann schon hinreichend um die anderen beiden Zielen „Brüderlichkeit“ und „Gleichheit“ kümmern würde. Vielmehr soll ein „Staats-, Marktsystem“ und eine „gesellschaftliche Grundhaltung“ geschaffen werden, welche dazu führen, dass nicht jeder nur seinen eigenen Vorteil sucht, sondern schon bei der Definition der eigenen Ziele, deren Abhängigkeit, Wechselwirkung, gegenseitige Begrenzung und Gemeinsamkeit mit den Zielen anderer oder der Gemeinschaft begreift und als positiv ansieht, um es einmal mit meinen eigenen Worten auszudrücken.
Der Autor sieht in der Versöhnung der „Freiheit“ mit der „Brüderlichkeit“ die zentrale Voraussetzung eines, Zitat, „Sozialwerdens“ der Gesellschaft.

Die drei Grundannahmen der Gründerväter des Sozialismus sieht Herr Honneth darin, dass erstens der Blick zu sehr auf die ökonomische Sphäre gerichtet wurde, also auf die Vergesellschaftung der Produktionsgüter, um damit die kapitalistische Marktwirtschaft zu überwinden, ohne dabei auch die gesellschaftliche und staatliche Sphäre mit zu entwickeln. Durch Gleichsetzten von Kapitalismus mit Marktwirtschaft wäre dann als einzige Alternative, für die damaligen Sozialisten, auch nur moch die Planwirtschaft geblieben.
Zweitens wäre der Fortbestand einer hinreichend großen proletarischen Masse von Arbeitern und eventuell noch Bauern angenommen worden, welche gemeinsam sowieso schon von sich aus den Wunsch nach Überwindung der aktuellen wirtschaftlichen Produktionsweise zur Verbesserung ihrer eigenen Situation anstreben würde. Durch das Anschwellen des Lagers der Angestellten wäre dies nun aber nicht mehr der Fall. Höchstens die Angestellten des Niedriglohnbereich des Dienstleistungssektors kämen hierfür noch in Frage, die wären aber zahlenmäßig weniger als das „Arbeits- und Bauernproletariat“ der Vergangenheit. [Anmerkung: Da müsste sich der „Niedriglohnsektor“ in Deutschland wohl mit den größeren „Niedriglohnsektoren“ und „Arbeitssuchenden“ außerhalb Deutschlands, zumindest in der EU, verbünden.]
Und drittens wären schon die Frühsozialisten (https://de.wikipedia.org/wiki/Fr%C3%BChsozialismus) von der Unausweichlichkeit des Niedergangs des kapitalistischen Systems aus sich selbst heraus, ausgegangen. Dadurch sei aber jeder Ansporn durch experimentelle sozialökonomische Politik schrittweise und bewusst zu einem Wirtschaftssystem zu gelangen, welches das Ideal der „Sozialen Freiheit“ angemessen und mindestens akzeptabel widerspiegeln hätte können.

Vor allem ersteres ist für den Autor der Grund dafür weshalb das Ideal der „Sozialen Freiheit“ nicht auch versucht wurde auf die anderen beiden Sphären, die gesellschaftliche, der persönlichen Beziehungen und die staatliche, der demokratischen Mitbestimmung, zu übertragen und sich stattdessen fast ausschließlich auf die ökonomische Seite und da dann auch gleich auf die vergesellschaftete Planwirtschaft konzentriert wurde. Es wäre angenommen worden, dass durch die Überwindung des Kapitalismus auch gleich die anderen gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Probleme gleich mitgelöst werden würden.

Deshalb sieht Axel Honneth in der Übertragung des Prinzips der „Sozialen Freiheit“ auch auf diese anderen beiden Sphären eine der beiden wichtigsten Aufgaben der „Sozialgesinnten“.

Die andere primäre Aufgabe wäre durch kontrollierte sozialökonomische Experimente schrittweise zu einem Wirtschaftssystem zu finden, welches dem Ideal der „Sozialen Freiheit“ mindestens hinreichend nahe kommt. Dabei sieht er die besten Instrumente dafür aber eher in staatlichen Institutionen und weniger in Vergesellschaftungen. Er schreibt aber an einer Stelle auch, dass es nicht ein Wirtschaftssystem für alle Teilbereiche geben können wird, sondern dass jede Ebene ihre eigene Herangehensweise brauchen würde.

Zum Schluss geht er nochmal genauer auf den Prozess der demokratischen Willensbildung ein und schreibt, dass es nun keine einzelne geschlossene Gruppe mehr geben würde auf die sich ein „Demokratischer Sozialismus“ stützen könnte, sondern, dass man aus allen Gruppen diejenigen ansprechen müsste die dem Ideal der „Sozialen Freiheit“ zumindest wohlwollend gegenüber stehen würden oder vom ihm profitieren würden.
Zum Ende geht Axel Honneth auch noch auf die Frage ein, ob man gleich ein internationales System „Sozialer Freiheit“ anstreben sollte, oder ob es ausreicht das erstmal nur national anzugehen. Schon alleine wegen der internationalen globalisierten Verästelungen und Abhängigkeiten in der heutigen Welt spricht sich der Autor hier dann eher für die internationale Variante aus.

Den Anfang seines Buches macht noch eine Darstellung der Herleitung des Begriffes „Sozialist“, polemische gedachte Bezeichnung von katholischen Geistlichen für die deutschen Schule des Naturrechts im 18.Jahrhundert, welcher ursprünglich noch nicht für Vergesellschaftung der Produktionsmittel gestanden hätte, und einige Seiten über die Geschichte der Frühsozialisten.

Alles in allem ist es sehr begrüßenswert, dass Prof. Honneth mit diesem Buch die Debatte über „Sozialismus“, beziehungsweise die Ideen dahinter, wieder neu beleben wollte und wohl immer noch möchte. Er bietet mit seinem Konzept der „Sozialen Freiheit“ auch ein konkretes Ziel auf das die „Sozialgesinnten“ unter uns hinarbeiten können und sollten.
Dieses Konzept erinnert dabei nicht nur dem Namen nach, erfreulich nahe, an Amartya Sen’s Konzept von „civil and human freedom“ in dessen Buch „Development as Freedom“ aus dem Jahr 1999. Dieser hatte da schon die 3 politisch ökonomischen Konzepte, Wirtschaftslibertarismus, Ulitarismus und Rawlsismus (https://de.wikipedia.org/wiki/John_Rawls) gegenüber gestellt, um zu zeigen, dass nur der dritte Fall, zumindest nach seiner Interpretation des „Rawlsismus“, zu einer nachhaltigen „Sozialen Freiheit“, wie sie nun auch Axel Honneth, aus den Idealen der Französischen Revolution, hergeleitet hatte , führen kann.

Das ist besonders wichtig und unterstützenswert, da sich in Deutschland zunehmend, zumindest, in weiten Teilen der gängigen Medien, nicht weniger Parteien und anderen gesellschaftlichen Verbänden zunehmend wieder der Glaube und die Meinung durchsetzt, dass ein freier Markt vor allem international, das Maß aller Dinge, zumindest für uns als Exportweltmeister, und auch nachhaltig sei, und dass dies durch Adam Smith „unsichtbare Hand“ auch schon irgendwie sozial genug sei, zumindest wenn wir ab zu etwas „Spenden“ und „Stützen“.

Und dadurch, dass Herr Honneth, institutionelle Markt- korrigiernde Methoden, der einfachen Vergesellschaftung von Produktionsmitteln, als Mittel zur Erreichung seiner „Sozialen Freiheit“ vorzieht stellt er sich, zumindest bis zu einem gewissen Punkt, in die Tradition der Kathedersozialisten der historischen Schule der Nationalökonomie und der alten Institutionenökonomie und auch ein wenig von Keynes. Wobei sein Konzept aber durchaus den Punkt zumindest deutlicher nach außen stellt, den Kapitalismus nicht einfach nur Zähmen zu wollen sondern direkt ein staatlich eingebettetes marktwirtschaftliches Modell kreieren zu wollen, dass den Markt direkt mit seinem Konzept der „Sozialen Freiheit“ verwebt. So habe ich ihn zumindest verstanden.

In eine ähnliche Richtung geht ja auch die Gemeinwohlökonomie, wenn auch mit einer stärken Gewichtung der gesellschaftlichen Mitbestimmung und Begrenzung des Privatbesitzes. Aber diese ist ja auch schon ein weiterentwickeltes eigenständiges System und nicht „nur“ eine sehr wichtige Ziel- und Aufgaben-definition.

Bei seiner Begründung warum ein freier Markt noch nicht von sich aus, durch die „unsichtbare Hand“ automatisch zur „Sozialen Freiheit“ führt, beschränkt sich Herr Honneth, erstmal, auf die Empirie, also auf die Tatsache, dass dies bisher noch nie oder nur für Wenige automatisch so gekommen ist, sondern immer eines staatlichen Eingreifens und der Durchsetzung des Anspruches der Benachteiligten und Bedürftigen , wie er es nennt, durch Niederreißen von Kommunikationshemmnissen[, da fällt in Zeiten von der fast kompletten medialen Sprachlosigkeit in Deutschland über James M. Buchanan (https://www.ineteconomics.org/perspectives/blog/james-m-buchanan-segregation-and-virginias-massive-resistance), mittlerweile 2013 gestorben, und seiner „wirtschaftslibertären Gäng der Verfassungsbremsenbauer“ zur Begrenzung des politischen Spielraums zur „Sozialen Freiheit“, der aktuelle Vorsitzende der „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“, gehört da laut Wikipedia wohl auch dazu, in Deutschland dann aber schon einiges drunter,] bedurfte. [Und Petitionen an den Bundestag, da, also „Buchanan und die Gäng“, mal drüber zu debattieren nutzen auch nichts, da kriegt man dann mit Datum 11.11, ganz nach dem Motto „jeder Jeck ist anders“ oder eben doch nur aus Zufall, als Antwort zurück, dass der Petitionsausschuss da nicht zuständig sei. Muss man dann wohl selbst hin, damit die mal (wieder) drüber diskutieren was Konzepte wie „Soziale Freiheit“ bedeuten und wer da eventuell alles versucht den politischen Handlungsspielraum, im Geiste des Primats des Vorrangs der wirtschaftlichen Freiheit, per Verfassungsbremsen oder internationaler Verträge, zu beschränken. Das Chile, Ende der 70er und der 80er, lässt grüßen, zumindest „Bremsen-technisch“.

Und übrigens warum kandidieren die Axel Honneths, Dirk Jörkes (Uni Darmstadt und Greifswalder), Heiner Flassbecks (Makroskop), Martin Höpners (MPIfG) und wie sie alle heißen, Deutschlands, eigentlich nicht man selbst für den Bundestag? Zur Not in einer neuen Partei oder als Einzelner.

Aber zurück zur Begründung warum der Markt nicht von sich aus zur „Sozialen Freiheit“ oder auch nur für hinreichend „stabile Verhältnisse“ sorgt. Hier sei an dieser Stelle dann auch nochmals an die Polarisationstheoriehttps://de.wikipedia.org/wiki/Polarisationstheorievon Gunnar Myrdal erinnert, welche besagt, dass der freie Markt meist nicht bis nie von sich aus zu einer gleichmäßigen Verteilung von Wirtschaftskraft und damit von Wohlstand oder gar nur von „Genug für alle“ führt, sondern, dass sich Pole bilden, die das Ungleichgewicht immer mehr verstärken. Da sei dann der Staat gefordert dem entgegen zu wirken.

Oder es sei nochmal an meine eigene Überzeugung und einen der Hauptgründe warum ich „blogge“ und politisch und gesellschaftskritisch aktiv bin erinnert:

„Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur Erfüllung der Kundenwünsche.
Und da vor allem die von Natur aus begünstigten Standorte, sei es nun in Bezug auf die
Produktionsbedingungen, eine logistisch vorteilhafte Lage oder einfach die Nähe zu den
bevorzugten oder vorteilhaften Wohnorten der Kunden, doch recht unterschiedlich innerhalb wohl praktisch aller Märkte verteilt sind, wird auch der Markt, wenn er denn seine Hauptaufgabe erfüllt, für eine entsprechend ungleiche Verteilung der Produktionsfaktoren, sprich der Wirtschaftskraft, sorgen.
Also diese Ungleichverteilung ist gerade die Aufgabe des Marktes.“

In diesem Sinne: Dran bleiben Werte „mit Sozialgesinnten“. Und (auch) Buch (Bücher) lesen. :)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden