EU- Handelspolitik: Öffentliche Konsultation

Antworten Öffentliche Konsultation der EU- Kommission zur Überprüfung der Handels- und Investitionspolitik der EU

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Unter der Bezeichnung „A renewed trade policy for a stronger Europe“ hat die EU- Kommission am 16.6.20 eine 3-monatige öffentliche Konsultation gestartet .

Während dieser Zeit konnten und können noch alle EU- Bürger, soziale Organisationen und die Industrie ihre Ansichten dazu mitteilen, wie die zukünftige Handels- und Investitionspolitik der EU, ihrer Meinung nach aussehen sollte. Hierzu sollen sie die 13 Fragen aus diesem Dokumenthttps://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2020/june/tradoc_158779.pdfbeantworten.

Meine Antworten darauf sind die folgenden:

Frage 1:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit der EU zu verbessern und ein Modell einer offenen strategischen Autonomie aufzubauen?

Antwort 1:

Der Vorteil eines gemeinsamen Weltmarktes ist es zweifellos, dass sich jeder teilnehmende Staat, jede Staatengemeinschaft oder einfach jeder einzelne Mensch auf die Leistungserbringung konzentrieren kann, die ihm am besten liegt, für die er oder sie die besten natürlichen Voraussetzungen hat.
Dies führt aber, wenn man das Maß dieser verteilten Produktion einfach komplett den Kräften des Marktes überlässt, dazu, dass zumindest kurz bis mittelfristig neue Abhängigkeiten entstehen können und praktisch immer auch entstehen. Und zwar nicht nur solche die sowieso schon bestanden hatten, z. B. da man über einige Rohstoffe gar nicht in hinreichendem Maße auch zuvor schon verfügt hatte, oder da man gar nicht genügend produktive Standorte im Landesinnern verfügbar hatte oder einfach keine solch umfangreiche Menge an Arbeitskräften.
Sondern zu neuen, prinzipiell vermeidbaren zumindest temporären Abhängigkeiten, z. B. da die eigene Arbeiterschaft nicht mehr über die nötigen Fähigkeiten und das nötige Wissen verfügt, oder die verfügbaren Standorte mittlerweile anderweitig in Verwendung sind, und vor allem die nötigen Produktionsstätten inländisch nicht mehr vorhanden sind.
Vor allem einseitige Abhängigkeiten verschlechtern immer die Verhandlungsposition für die Zukunft. Und man ist von den zukünftigen Fähigkeiten anderer abhängig.

Vor allem in Versorgungs- kritischen Bereichen der wirtschaftlichen Wertschöpfung sollte man daher darauf achten entweder Reserven von Gütern oder gleich hinreichend zügig eigene skalierbare Produktionskapazitäten verfügbar zu haben.
Ebenso sollte man darauf achten, dass man sich von niemanden unnötig zu sehr einseitig abhängig macht.

Frage 2:

Welche Initiativen sollte die EU – allein oder mit anderen Handelspartnern – ergreifen, um
Unternehmen, einschließlich KMUs, dabei zu unterstützen, Risiken zu bewerten sowie Lieferketten zu festigen und zu diversifizieren?

Antwort 2:

Auch hier sind gemeinsame Reserven an Gütern und hinreichend schnell skalierbare Produktionskapazitäten und zusätzlich spontane Unterstützung anzuraten und nötig. Ebenso senkt es Abhängigkeiten wenn man nie nur von einem oder einigen Anbietern abhängig ist und im Zweifelsfall Verbündete hat. Hier sollte die EU durch Regulierungsmaßnahmen entsprechende Mindestvorräte und hinreichende Diversifizierung verpflichtend festsetzen, damit in diesem Bereich kein Race- To The Bottom stattfindet und dann später die Allgemeinheit, hauptsächlich durch Einkommens- und Konsumsteuer und/oder durch anschließende Austeritätspolitik, rettend einspringen muss, wenn durch den nächsten externen Schock, sich wieder einmal gezeigt hat, dass zu billig angeboten wurde, da diese Externalitätskosten preislich durch den zu wenig regulierten freien Markt nicht an die Nachfrageseite weiter gegeben werden mussten und auch konnten.

Frage 3:

Wie sollte der multilaterale Handelsrahmen (WTO) gestärkt werden, um Stabilität zu gewährleisten
Vorhersehbarkeit und ein regelbasiertes Umfeld für fairen und nachhaltigen Handel und Investitionen?

Antwort 3:

Am wichtigsten ist es zunächst mal, dass man versteht, dass es die Aufgabe des Marktes ist, die funktional bestmögliche Kombination von den Produktionsfaktoren zu finden und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Kunden. Nicht mehr und nicht weniger. Ohne Vorgaben entweder durch die einzelnen Kunden oder durch gemeinsame nationale oder supranationale Institutionen nimmt der Markt dabei auf nichts Rücksicht, nicht die Umwelt, nicht die Menschen, nicht die Sicherheit nicht mal auf sich selbst.
Und da man von einzelnen Kunden oder sonstigen Marktentscheidern kaum erwarten kann über alle Informationen jederzeit zu verfügen und diese in jede einzelne Entscheidung einfließen können zu lassen, muss man vor allem Regeln festlegen, welche entweder gemeinsame Institutionen schaffen, die demokratisch legitimiert über genügend Macht verfügen um solche Vorgaben durchzusetzen. Oder man lässt oder gibt den einzelnen staatlichen oder suprastaatlichen Institutionen, welche bereits existieren, genug Macht um solche Vorgaben zu erzwingen.
Dann muss man eben sehen inwieweit man sich dafür auf gemeinsame Regeln einigen kann, welche Handlungsfreiheiten die Staaten haben, oder ob man zu einem gemeinsamen Welthandel „mehrerer Geschwindigkeiten“ wechseln muss. Sehr wichtig ist es auch sich klar zu werden, dass die Konzentrationskraft des Marktes, auch bei unterschiedlichen Währungen, zu groß ist, als dass man ohne Umverteilung auskommen könnte. Ansonsten hat man entweder den nächsten großen Krieg zu verantworten oder man macht sich schuldig Menschen und Staaten mit schlechteren Bedingungen unnötig im Stich gelassen zu haben.
Freihandel ohne Ausgleich ist auch nicht fair, da nicht jeder die gleichen Möglichkeiten hat. Diese Diskussion gab es schon zu Zeiten des Manchesterliberalismus, nur diesmal mit teilweise vertauschten Rollen. Und zwischen damals und heute liegen zwei Weltkriege mit Millionen Toten und jeder Menge Kriegsverbrechen. Daraus sollte man eigentlich gelernt haben, dass es ohne hinreichende Kooperation für das gemeinsame Wohl nicht gehen kann.

Frage 4:

Wie können wir unser breites Netzwerk bestehender oder neuer Freihandelsabkommen nutzen, um den Marktzugang für EU-Exporteure und -Investoren zu verbessern und zur Förderung der internationalen regulatorischen Zusammenarbeit – insbesondere in Bezug auf digitale und grüne Technologien und Standards – beitragen, um deren Potenzial zu maximieren?

Antwort 4:

Zunächst mal indem man statt Freihandelsverträge, Handelsverträge zum gemeinsamen Wohl abschließt. Selbst die Konzepte zum ursprünglichen „Neoliberalismus“ wurden mit dem Ziel entwickelt, den Liberalismus zumindest ausreichend sozial und stabil zu gestalten, nachdem man damals gemerkt hatte, dass reiner Freihandel zu unsozial und instabil ist, um für sich alleine bestand haben zu können. Erst durch Herrn Hayek, Ayn Rand (https://de.wikipedia.org/wiki/Ayn_Rand) und dem „deutschen Hang zum Handelsüberschuss“ wurde dies wieder aus der öffentlichen Meinung getilgt. Gemeinsame Märkte brauchen eben einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur gemeinsamen Grundbedarfssicherung und hinreiche Regulation, sozialer, ökologischer oder sicherheitsbezogener Art. Und diese Regulation muss dann natürlich in hinreichendem Umfang für alle gelten, damit nicht diejenigen die aus globaler Sicht zumindest ausreichend ökologisch, sozial und sicherheitsbewusst nachhaltig handeln am Ende nicht den Kürzeren ziehen. Wer da nicht hinreichend mitmacht gegen den muss man sich wehren können.

Frage 5:

Mit welchen Partnern und Regionen sollte die EU ihr Engagement priorisieren? Genauer gefragt,
wie können wir unsere Handels- und Investitionsbeziehungen zu den Nachbarländern und
Afrika zum gegenseitigen Nutzen stärken?

Antwort 5:

Prinzipiell sollte man einen nachhaltigen, solidarischen und fairen Handel in hinreichendem, aber nicht zu großem Umfang, mit allen Staaten und sonstigen Partnern anstreben. Zumindest das Wohl der eigenen direkten Nachbarn sollte man aber natürlich schon aus reinem Eigennutz- Interesse mit anstreben, und sei es nur damit es „auf den Straßen ruhig bleibt“. Wenn man die weltweiten Ressourcen nachhaltig optimal Bedarfs- priorisiert nutzen würde und ein Ausgleichssystem schaffen würde, dass jedem eine hinreichende Kaufkraft garantiert müsste wohl recht schnell keiner mehr Mangel leiden. In diesem Zusammenhang ist auch eine kooperative global- Nachfrage- orientierte Wirtschaftspolitik anzuraten. Denn wenn jede Regierung nur die Optimierung der eigenen Angebotskapazitäten im Sinn hat, und es dafür auch noch für sinnvoll halten die nationale Nachfrage möglichst klein zu halten, ist das für die gesamte globale Nachfrage nicht gerade förderlich, um es mal vorsichtig zu formulieren. Ebenfalls konkurrieren so die Staaten nur destruktiv miteinander indem es zu Race- To- The- Bottom Effekten kommt, welche die weltweite Ungleichveteilung nur verstärken.

Frage 6:

Wie kann die Handelspolitik die erneuerte europäische Industriepolitik unterstützen?

Antwort 6:

Die Wirtschaft und das Kapital sollte den Menschen dienen. Also auch die Industrie. Zunächst mal den eigenen Bürgern aber auch dazu seinen fairen, solidarischen, sicherheitsbewussten und nachhaltigen Beitrag zum weltweiten Gemeinwohl zu leisten. Die Handelspolitik sollte sicher stellen, dass wir zumindest eine hinreichende Anzahl von Handelspartnern haben, die dies auch so sieht oder dieses Ziel zumindest toleriert. Vor allen anderen sollte sie uns hinreichend schützen.

Frage 7:

Was kann noch getan werden, um KMUs dabei zu helfen, von den Möglichkeiten des internationalen Handels und Investitionen zu profitieren?
Wo haben sie spezifische Bedürfnisse oder besondere Herausforderungen, die
durch Handels- und Investitionspolitische Maßnahmen und Unterstützungen angegangen werden könnten?

Antwort 7:

Sicherstellen, dass die „KMUs der EU“ internationaler Konkurrenz soweit wie möglich nur insoweit ausgesetzt sind, also wie dadurch unsere Werte- und Vernunfts- orientierten öffentlichen Regulierungen ihnen keinen ernsthaften und unfairen Nachteil einbringen.
Es kann auch helfen in Kooperation mit nicht EU- Staaten die globale Nachfrage zu stärken und stabil zu halten.
Ansonsten gilt für KMUs das gleiche wie für den Rest der Wirtschaft. Sie müssen für die Menschen da sein und nicht umgekehrt, dabei aber die KMUs- Eigentümer natürlich fair behandeln. Zur Erfüllung dieses Ziels muss die Politik allerdings notfalls steuernd zur Erreichung oder Wahrung des Außenhandelsgleichgewichtes, auf mindestens Wert- gebunden hinreichendem aber nicht zu hohem Niveau, eingreifen.

Frage 8:

Wie kann die Handelspolitik den Übergang zu einer grüneren, gerechteren und verantwortungsbewussteren Wirtschaft im In- und Ausland erleichtern? Wie kann die Handelspolitik die Erreichung der UN- Nachhaltigkeitsziele (SDGs) nachhaltig fördern?
Wie sollten die Umsetzung und die Durchsetzung diese Ziele unterstützen?

Antwort 8:

Diese Frage wurde in Antwort 3 schon mit beantwortet.

Frage 9:

Wie kann die Handelspolitik dazu beitragen, ein verantwortungsbewussteres Geschäftsverhalten zu fördern? Welche Rolle sollte die Handelspolitik zur Förderung transparenter, verantwortungsbewusster und nachhaltiger Lieferketten beitragen?

Antwort 9:

Durch Werte- gebundene angemessene öffentliche Regulierung, auch des Außenhandels, und eventuell durch Steuervorteile für Unternehmen die nachweisen können, dass sie sich entsprechend verhalten. Es muss jedem klar gemacht werden, dass man hierfür nicht auf die „Selbstregulierungskräfte“ der Märkte vertrauen darf. Und auch gar nicht kann, denn der Markt kann nur mehr oder weniger optimal Produktionsfaktoren kombinieren, bezogen auf den Preis. Alle Standards die für alle gelten sollen, kann nur eine öffentliche Institution durchsetzen.

Frage 10:

Wie können digitale Handelsregeln EU-Unternehmen, einschließlich KMUs, zugute kommen? Wie könnte der digitale Übergang innerhalb der EU, aber auch bei Handelspartnern aus Entwicklungsländern durch die Handelspolitik unterstützt werden, insbesondere wenn es um digitale Schlüsseltechnologien und wichtige Entwicklungen (z. B. Blockchain, künstliche Intelligenz, Big Data Flows) geht?

Antwort 10:

Die (Handels-) politik sollte sich z. B. für Sicherheitsstandards, die Einhaltung von Arbeitsschutzstandards, wie die Arbeitszeiten, und dafür dass im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung keine kritischen Abhängigkeiten, vor allem mit Akteuren außerhalb des politischen Machtbereichs der EU und/oder ihrer Mitgliedstaaten entstehen, einsetzen. Aber auch dafür, dass durch die Digitalisierung keine Schocks für den Arbeitsmarkt entstehen. Vor allem nicht auf Kosten des Gemeinwohls, also jedes oder einzelner Bürger. Auch nicht in Nicht- EU Staaten.

Frage 11:

Was sind die größten Hindernisse und Chancen für europäische Unternehmen, die in Drittländern im digitalen Handel tätig sind, oder für Verbraucher, die im elektronischen Handel einkaufen? Wie wichtig sind die internationalen Datenübertragungen für die Geschäftstätigkeit der EU?

Antwort 11:

Die größte Gefahr ist, dass europäische Unternehmen, sowohl in als auch außerhalb der EU mit Staaten konkurrieren müssen, die eventuell nicht in hinreichendem Maße gleichwertigen Werte- und Vernunfts- gebundenen öffentlichen regulativen Standards unterworfen sind wie sie selbst und dadurch einen zu großem Nachteil haben. Und für die Verbraucher ergeben sich dadurch unmittelbare und mittelbare Gefahren und Kosten. Zum Beispiel wenn später staatlich wieder ausgebügelt werden muss, was zuvor regulativ versäumt wurde und daher im Angebotspreis der Unternehmen nicht enthalten war.

Frage 12:

Wie sollte die EU neben bestehenden Instrumenten wie der Handelsverteidigung gegen erzwungene, verzerrende und unfaire Handelspraktiken von Drittländern vorgehen? Sollten bestehende Instrumente weiter verbessert oder zusätzliche Instrumente in Betracht gezogen werden?

Antwort 12:

Ein gemeinsamer Markt kann nur nachhaltig sozial und stabil sein, wenn alle Teilnehmer ihren hinreichenden und angemessenen sozialen, ökologischen und sicherheitsbezogenen Beitrag leisten.
Gegen Staaten oder nicht-staatliche Akteure, die dies nicht tun, muss man sich schützen können.
Sei es durch Zölle, Handelsbeschränkungen oder durch regulative Mindeststandards. Schon die WTO- Verträge sind da, zurückhaltend formuliert, nicht gerade hilfreich, da sie den freien Markt ideologisch- oder Interessens- bedingt glorifizieren. Die EU wäre also nicht nur aus ethischer Sicht gut beraten, wenn sie sich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschiedet und stattdessen endlich „Gemeinwohl- orientierte“ Handelsverträge anstrebt und auch verabschiedet.

Frage 13:

Welche anderen wichtigen Themen, die in den obigen Fragen nicht behandelt werden, sollte die Überprüfung der Handelspolitik behandeln?

Antwort 13:

Auch an dieser Stelle möchte ich zum Abschluss nochmals betonen, dass die EU, ihre Mitgliedsstaaten und am besten auch der Rest der Welt sich endlich vom Dogma „Freihandelsverträge sind gut für alle“ verabschieden sollen und Werte- und Vernunfts- gebunden auch müssen, denn, man kann es gar nicht oft genug wiederholen:

„Ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, braucht einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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