Grundsicherung ohne militärische Sicherheit?

Sozial und Sicher Kann es eine (gemeinsame) Grundsicherung ohne (gemeinsame) militärische Sicherheit geben? Dazu ein paar Worte zur aktuellen Lage in Afghanistan.

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Man kann das Soziale und das Sichere nicht trennen. Zumindest nicht wenn man mit einer guten Intention an die Sache ran gehen will.

Das sieht man jetzt wieder schön in Afghanistan.

Wenn man in einem Gebiet für die Einhaltung bestimmter Werte und einer gemeinsamen Grundsicherung sorgen möchte braucht man dafür auch die militärische und polizeiliche Stärke und den Willen dies nach außen und innen hin durchzusetzen.

Wobei jetzt einfach den afghanischen Streitkräften fehlenden Kampfwillen vorzuwerfen ist zu platt, nach meiner Meinung.

Bevor eine „Koalition der Willigen“ unter Führung der Bush II- USA im Herbst 2001 anfing die Macht der Taliban in Afghanistan zu vertreiben, hatten die mit Unterstützung Pakistans bis auf den Norden das ganze Land eingenommen. Und am 9.9.2001 geradeAhmad Schah Massoudden Anführer des Widerstands gegen sie mit einem Selbstmordattentat getötet.

Ohne Unterstützung von außen hätten die Taliban mit Pakistans Hilfe wohl bald das ganze Land eingenommen.

Das kann man hier nachlesen:https://de.wikipedia.org/wiki/Taliban.

Und Afghanistan ist ja quasi von jeher in unterschiedliche ethischen Gruppen und Einflussbereiche unterteilt.

Ich kenne zwar die aktuellen militärischen Kräfteverhältnisse nicht so genau. Nachtrag 15.8: Ich habe jetzt mal das gelesen: https://en.wikipedia.org/wiki/Taliban_insurgency. Dann verwundert einem die Schnelligkeit der aktuellen Entwicklung in Afghanistan nicht mehr.

Aber das eine auf sich gestellte afghanische Armee ihre Energien dann auf die Verteidigung des Nordens konzentriert ist zumindest nachvollziehbar und jetzt auch nicht wirklich allzu überraschend.

Außer sie wäre hinreichend überlegen gewesen. Dann lag der Fehler eher darin, dass nicht diejenigen die den Süden gegen die Taliban halten wollten die Waffen hatten.

Und nach dem was bei Wikipedia steht kann man niemanden ein unfreiwilliges Leben unter Taliban- Herrschaft wünschen.

Die Bush II- USA und ihre Verbündeten sind aber eben 2001 hauptsächlich nicht aus humanitären Gründen, mit dem Ziel allen Afghanen die nicht unter Taliban- Herrschaft leben wollten dies in Afghanistan zu ermöglichen, sondern wegen der Anschläge des 11.9.2001 und weil die Taliban Osama Bin Laden nicht ausliefern wollten.

Osama Bin Laden ist jetzt Tod.

Und außer humanitären Gründen gibt es damit unmittelbar keinen Grund mehr zu einer militärischen Intervention bzw. Unterstützung.

Damit man mich nicht falsch versteht, die USA, beziehungsweise ihre Soldaten, haben hier auch nicht mehr moralische Verpflichtung wie der Rest der Welt den Afghanen beizustehen. Außer sie bestehen weiterhin auf militärischer Überlegenheit, anstatt innerhalb der Nato oder innerhalb einer internationalen Union der Werte- gebunden Willigen militärisch umzuverteilen. Nach 4 Jahren Trump und dem Schluss der ersten großen „Biden“- Ansprache alles tun können zu wollen „what makes up our mind“, was sich wohl (wahrscheinlich bis hoffentlich) schlimmer angehört hat als es gemeint war, hat wohl hoffentlich auch der letzte Mensch begriffen, das auch die USA nicht die Rolle der Weltpolizei, nach Werten die jeder gut finden können sollte, zu jeder Zeit übernehmen möchte, oder alleine sollte oder könnte. Und dass man sich nicht darauf verlassen darf, auch schon, da man eben selbst auch seinen fairen Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leisten wollen sollte.

Und die Situation der Nicht- Taliban Afghanen ist jetzt zumindest nicht schlechter als am 9.9.2001, wenn dieser vergleich jetzt nicht zu zynisch wirkt. Aber damals hätten sie ohne Unterstützung eben keine große Chance mehr gehabt.

Und von mir aus können die Taliban ruhig einen von der Größe und dem Rest her fairen Anteil Afghanistans bekommen, solange niemand unter ihrer Herrschaft leben muss der das nicht möchte.

Aber der afghanischen Armee jetzt einfach fehlende Kampfbereitschaft vorzuwerfen, nachdem man sie mit den Taliban, eventuell schon wieder mit Unterstützung von außerhalb Afghanistans, alleine gelassen hat, finde ich zu plump.

Da müsste man schon aufzeigen, dass dieser das Bestehen gegen die Taliban überall im Land wo deren Herrschaft unerwünscht gewesen wäre nachhaltig sicher genug möglich gewesen wäre.

Oder geht das Verteidigungsministerium der USA dabei davon aus, dass dies schon durch die Prinzipien des freien Marktes durch die unsichtbare Hand des Marktes durch das weltweite Großkapital und der weltweiten Vereinigung der Exportweltmeister nachhaltig durch das eigene Streben zu gewinnen nachhaltig gelöst wird?

Wir bräuchten weltweit dringend einmal eine Diskussion über Werte und Sicherheit.

Auch oder vor allem Demokratie garantiert eben keine Werte. Vor allem nach außen hin. Demokratische Staaten sind wohl einfach vom Willen ihrer Wähler und vor allem dem ihrer Repräsentanten her zu unbeständig als das ein Staat alleine die Rolle der Weltpolizei, des Weltrichters und des Weltgesetzgebers übernehmen könnte. Und auch für ein Vetorecht in gemeinsamen Institutionen sind demokratische Staaten zu unbeständig in ihrem Willen. Das gleiche gilt aber eben für alle Staaten unabhängig der Regierungsform. So sicher auf alle Zeit moralisch „einwandfrei“ um ein Veto- recht in supranationalen Institutionen bekommen zu können die international wirklich Verantwortung übernehmen sollen ist kein Staat und kein Mensch oder irgendein, zumindest nicht-göttliche, Wesen. Und kein Text oder sonst was kann als sicher göttlich- legitimiert gelten, um da direkt mal etwaigen Einwürfen des „Erzler“- Lagers einen Riegel vorzuschieben. Denn der Prüfer dieser Legitimation müsste dann selbst schon sicher göttlich sein.


Also für universell moralische Regeln müssen wir wohl schon selbst nachdenken. 🙂

Und zum hundert- tausendsten Mal, der Markt sorgt nicht (hinreichend) für Gerechtigkeit. Der Markt ist die Summe einzelner Entscheidungen. Und wenn die nicht hinreichend gerecht waren ist es das Ergebnis des Marktes folglich auch nicht. Aber der Verweis auf die angebliche automatische Marktgerechtigkeit oder der Glauben daran, dass der freie Markt schon alleine für alles Gute sorgen würde und man selbst einfach nur nach seinem eigenen Vorteil streben müsste ist einfach zu verführerisch, eine zu große Versuchung, für zu viele die aktuell profitieren oder von diesem Glauben profitieren können, als dass man ihn wohl jemals komplett für alle Zeiten aus allen Köpfen vertreiben könnte.

In Gesellschaften ist wichtig das nicht zu viele dieser Verführung verfallen. In Demokratien heißt das, dass nicht zu viele Wähler und vor allem (potentielle) Abgeordnete dieser Verführung verfallen sind.

Wenn man sich aktuell die Wahlprogramme der Parteien anschaut und bei der Union (CDU/CSU) dann im Programm sieht, dass die jetzt nur noch erwirtschaften statt verteilen wollen, sind die wohl dieser Versuchung ebenso erlegen, wie, wenn auch etwas weniger die Grünen und die SPD, wenn die Markt- korrigierend nur bei Krisen und nur in Form einer Arbeitslosenversicherung, die ist aber eben real- existierend bisher nie hinreichend, intervenieren wollen. Als ob hinreichende Verteilung der Kaufkraft überhaupt zu den Standard- Aufgaben des Marktes gehören würde. Das das Ergebnis des freien Marktes zu unsozial, zu unökologisch, zu wenig Sicherheits- und zu wenig zukunftsorientiert ist, wenn nicht hinreichend viele Marktteilnehmer sich bewusst so verhalten haben oder durch staatliche Institutionen dafür gesorgt wurde, ist nun wirklich offensichtlich. Der Markt ist dann hinreichend fair, sozial und nachhaltig sicher genug, wenn hinreichend viele einzelne Marktentscheidungen dies waren. Egal ob freiwillig oder durch Zwang. Wobei Zwang eben Werte- gebunden und nicht unnötig sein sollte/darf.

Und solange die Partei die Linke nicht, zumindest für Menschen wie jetzt die nicht Taliban- willigen Afghanen eine (nachhaltige) humanitäre Intervention mit genügend militärischer Schlagkraft zumindest begrüßen würde, trägt sie ihren Namen zu unrecht. Je nach Intention wäre dann „die Partei die Rechte“ passender. Denn Anti- Interventionismus um das eigene Unterlassen auch noch moralisch zu erhöhen ist klassisch Rechts. Eher schon zu Rechts. Dann hofft wenigstens, dass eine der totalitär sozialistischen Parteien mit Staatsmacht eingreift.

Wir brauchen auch in Deutschland dringend eine großangelegte Diskussion über Werte und Interessen. Und welche Werte und wessen (faire) Interessen bei uns eigentlich aktuell und in Zukunft mehrheitsfähig sein.

Bestimmte Werte, nach innen und außen, dürfen auch demokratisch legitimiert nicht unterlaufen werden.

Und wenn die Werte- und faire Interessen geleitete Handlungsfreiheit (auch zum Zwang) in einer Demokratie auf längere Zeit zu sehr eingeschränkt wird egal ob von der Verfassung oder der Mehrheit beziehungsweise den gewählten Repräsentanten der Mehrheit kann man das irgendwann nicht mehr tolerieren.

Dann muss man sich zumindest mit einen fairen Anteil an allem staatlich ausgründen dürfen. Oder zumindest eine Handlung wie den hinreichenden Beitrag zur globalen Grundsicherung. Inklusive der militärischen Sicherheit.

Das Schlechte wird nicht dadurch Gut weil die Mehrheit es durch Wahlen legitimiert hat.

Erst wenn man nach Wahlen auch innerhalb eines Staates lebt den man gewählt hat oder so haben wollte ist man wirklich Werte- und Interessen gebunden wirklich frei. Alles andere ist eine Ausrede für diejenigen die aktuell profitieren oder die Wahrheit nicht wahrhaben wollen oder können. Wie beim (freien) Markt.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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