Kommentar zur Neujahrsansprache der Kanzlerin

Europa muss es gut gehen Ein Kommentar zur Neujahrsansprache der Kanzlerin.

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Zunächst mal ist es gut zu hören, dass auch die Kanzlerin sagt, dass es uns nur gut gehen kann, wenn es auch Europa gut geht. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass sie dabei die Menschen in Europa gemeint hat und zwar jeden einzelnen, und nicht nur im Europa im Gesamten.

Eine Grundvoraussetzung damit es einem gut gehen kann, ist eben aber gerade die Deckung des Mindestbedarfs eines jeden einzelnen.

Aus der Aussage, dass es auch uns nur gut gehen kann wenn es Europa gut geht, lässt sich die Erkenntnis nach der Vorteilhaftigkeit der Bündelung der Kräfte leicht ablesen.

Wer mit vereinten Kräften zu Werke geht, und auch weiterhin gehen möchte, sollte aber darauf achten, dass dabei alle Beteiligten ihren gerechten Anteil am Gesamtertrag ab bekommen, und solange dies möglich ist, jeder zumindest seinen Mindestbedarf für ein ordentliches Leben erhält. Das hat für alle übrigen dann auch den Vorteil, dass Sie auch ein moralisches Anrecht auf ein friedliches Zusammenleben haben. Denn zum Wunsch nach Frieden, gehört auch, dass man sich gegenseitig zumindest das Nötigste zukommen lässt, solange man dazu sicher genug in der Lage ist.

Aussagen wie, „die Wirtschaft wird es schon richten“, sind besten Falls als zynisch zu bezeichnen.

Denn wenn wirtschaftliche Freiheiten schon alleine von sich aus durch eine „unsichtbare Hand“, oder was auch sonst immer, dafür sorgen würden, dass jeder genug hat.
Dürfte man kein Gegenbeispiel benennen können.

Aber hier ist zum Beispiel schon eins:
Ganz einfach, gehen wir von einer Gesellschaft von 5000 Menschen aus. 500 davon würden alles besitzen. Diese 500 bezahlen jetzt weiteren 3500 einen Lohn damit sie eine Arbeit verrichten, die den Mindestbedarf für diese 4000 deckt und noch ein wenig Luxus für die oberen 500, welcher auch nicht zur Mindestbedarfsdeckung für die übrigen 1000 verwendet werden könnte. Bei Vollauslastung der Produktion oder Priorisierung der Deckung des Mindestbedarfs vor Luxus, wäre in diesem Beispiel, locker genug für alle zu produzieren gewesen.

Die übrigen 1000 haben also in diesem Beispiel weder ein Einkommen, um sich den Mindestbedarfs als Verbraucher zu sichern noch ist genug für alle produziert worden, obwohl es 1000 Arbeitslose und genug Ressourcen gab.
Und den übrigen 4000, war das Schicksal der 1000 Übrigen entweder egal, sie konnten nichts tun, oder sie hatten, eventuell wegen falsch verbreiteter Ideologie der primär Medien, gut dass das bei uns nicht der Fall ist (Vorsicht: Zynismus), oder aus anderen Gründen, nicht genug Kenntnis über einfachste ökonomische Zusammenhänge.

Die 1000 Unterversorgten aus diesem Beispiel würden jetzt entweder sterben oder versuchen sich ihren Anteil am unnötigen Mangel mit Gewalt zu besorgen.

Wäre in solch einem Falle der Wunsch der übrigen 4000 die anderen 1000 sollten doch jetzt einfach von Gewalt absehen des Friedens Willen wirklich moralisch gerechtfertigt?

Oder setzt die „moralische“ Rechtfertigung des Wunsches nach Frieden, also der Abwesenheit von Zwang, nicht voraus, dass man zumindest das Mögliche unternimmt, dass die übrigen 1000 solch einen Frieden nicht mit dem Leben bezahlen?

Auf Europa bezogen bedeutet dies, solange wir uns nicht gegenseitig den Mindestbedarf garantieren, obwohl wir es sicher genug könnten, ist der Wunsch nach Frieden moralisch nicht zu rechtfertigen. Sondern dieser Wunsch entspricht vielmehr dem Wunsch seine eigenen Sonderwünsche über das lebensnotwendige der anderen Stellen zu dürfen.
Also seiner blanken Gier freien Lauf zu lassen und sich die Freiheit herauszunehmen die anderen dafür sterben zu lassen, oder Mangel ernährt zu lassen, oder dafür zu sorgen, dass diese sich für ihren Mindestbedarfs prostituieren oder ähnliches müssen.

Ist das wirklich der richtige Wunsch für Parteien welche das „C „für christlich oder das „S“ für sozial im Namen tragen, oder sogar gleich beides?

Und glaubt ihr wirklich, dass solch eine widerwärtige Form des Friedens lange bestand haben wird und nicht irgendwann in einem neuen Blutbad in Europa enden wird?

Und noch etwas:
Investitionen sind kein Ersatz für direkte Sicherung des Mindestbedarfs.
Sie sind vielmehr nur eine sinnvolle und bis zur Mindestbedarfsdeckung der Produktion auch nötige Ergänzung, welche bei einem Umfang der groß genug ist, also in dem Beispiel den 1000 übrigen ausreichend bezahlte Arbeit gibt und zwar in Bereichen, die den Mindestbedarf decken sollen, solange dies noch nicht für alle der Fall ist, dazu führen kann und sollte, dass (fast) niemand die gemeinsamen Sicherungssysteme in Anspruch nehmen muss.

Wenn Investitionen nur, wieder im Beispiel, 100 Arbeit geben, und auch noch bei der Produktion von Luxus, ist das nicht ausreichend. Und die Notwendigkeit für Auszahlungen aus einergemeinsamenSozialkasse bleibt bestehen. Wenn die 1000 nämlich alle in einer Sub- Gesellschaft, in der Realität einem eigenen EU- Staat, leben, wird eine dortige abgetrennte Sozialkasse nicht genug Mittel bereit stellen können.

Das Beispiel zeigt aber auch, dass Sozialtransfers alleine nicht ausreichen. Es muss auch noch ziel-gebunden gearbeitet werden, damit auch genug für alle da ist.

Die EU Landwirtschaft war Mitte der 80er, also noch vor der Einführung des EU- Binnenmarktes, mit seinem Zwang zur Gewährung wirtschaftlicher Freiheiten bis hin zur blanken nationalen oder individuellen Gier und unter Ausschluss der demokratisch legitimierten Möglichkeit ein gemeinsames System der Mindestbedarfsdeckung einzuführen, dazu müssten alle EU- Staaten zustimmen, also Einstimmigkeit- Paradigma, schon so produktiv, dass die Produktion wieder gedrosselt werden musste um Überproduktion zu verhindern. Und auch nach Aufnahme weiterer Staaten in die EU, sollte die ausreichende Produktion von Nahrungsmitteln höchstens ein Energie- und Rohstoffe für die Maschinen- Besorgungsproblem darstellen. Und soviel werden wir als EU- Bürger wohl noch exportieren können, dass dieser Importbedarf gedeckt werden kann.

Das gesagte gilt natürlich auch international.

Staaten, wie Afghanistan und Irak in welchen ein Regime- wechsel von außen herbeigeführt wurde, dürfen hinterher nicht einfach dem freien Spiel der (Markt-) Kräfte überlassen werden, wenn man dort dauerhaft liberale und soziale Werte sehen möchte und dort die politische Freiheit des Bevölkerung bewahren möchte.

Auch international muss das Ziel eine Mindestbedarfsdeckung aller sein.
Unter sozialen, liberalen und politisch freien, unter Berücksichtigung der Rechte und Bedürfnisse der anderen Staaten und der eigenen Minderheiten, Rahmenbedingungen sein.

Zurück zu Frau Merkels Neujahrsrede.

Ob sie mit der Aussage „Den übrigen Staaten soll es wirtschaftlich gut gehen.“ dies gemeint hat?

Es bleibt zu hoffen. Aber gerade die Unionsparteien in Deutschland sträuben sich ja gegen gemeinsame Mindestbedarfssicherungssysteme in der EU und darüber hinaus, selbst wenn dies sicher genug machbar wäre. Sie „vertrauen“ bisher auf die Konvergenzkräfte des reinen freien Marktes. Maximal zu Investitionen, ohne den Umfang zu nennen, sind sie bereit.
Man sollte seine nationale Gier nicht mit Ausreden schön reden.
Das haben leider auch die deutschen Gewerkschaften und Teile der SPD noch nicht richtig begriffen.

Also liebe Frau Merkel (und zur Durchführbarkeit natürlich auch liebe Frau Kramp-Karrenbauer, liebe Frau Von der Leyen, lieber Herr Söder, liebe SPD und liebe Grüne) die relativ konservative soziale liberale Plattform bittet zunächst umPräzession, dass „Wie“ des „Europa muss es gut“ gehen betreffend, und dann natürlich auch endlich umAktionhin zur Einführung eines Konzeptes, dass die hier genannten Ausführungen angemessen berücksichtigt.

Auf geht’s.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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