Länder(-finanz)ausgleich in Deutschland.

Oder. Es war einmal ein sicherer Verfassungsanspruch auf sozialen Frieden in Deutschland?

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Nach der Agenda 2010 um Deutschland „wettbewerbsfähig“ zu machen, hatte man da nicht ein genug vergessen und ein vernünftiges Kriterium an dem man das festmachen kann, also eine ausgeglichene Außenwirtschaftsbilanz zum Beispiel, hatte man dann gleich noch mehrere Verfassungsreformen der föderativen Ordnung in Deutschland durchgeführt. Beim Verhältnis Bund, Länder muss man immer bedenken, dass wir einen gemeinsamen Markt haben, das hat für alle den Vorteil, dass die Kombinationsmöglichkeiten der Produktionsfaktoren so sehr groß sind und ein Gesamtergebnis dabei raus kommt, dass wohl fast immer größer ist als die summierten Einzelergebnisse. Das ist erst mal gut für alle. Aber natürlich nur wenn man hinterher fair und ausgeglichen teilt. Denn es muss der Grundsatz gelten man kann nur zusammen frei wirtschaften wenn man hinterher auch fair teilt. Damit man dabei nicht ständig auf einen Konsens aller Länder angewiesen ist, auch der aktuellen Profiteure, braucht man eine hinreichend handlungsfähige Institution auf Bundesebene, die solch einen Ausgleich durchführen kann. Dabei hat man aber weiterhin das Problem, dass man von einfachen jederzeit durch einfachen Mehrheitsentscheid änderbaren Gesetzen abhängt. Deshalb sind Verfassungs- gebundene Ansprüche am besten. Die könnten höchstens durch ein bewusst am Recht vorbei entscheidendes Verfassungsgericht unterlaufen werden. Und über den Verfassungs- gebundenen Länderfinanzausgleich (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_107.html) gab es bis 19.7.2017 ein entsprechendes Verfassungsrecht. Das ist seit 31.12.2019 aber nicht mehr in Kraft (https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_143g.html).

Und dann das:

Art 143f

„Artikel 143d, das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern sowie sonstige auf der Grundlage von Artikel 107 Absatz 2 in seiner ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung erlassene Gesetze treten außer Kraft, wenn nach dem 31. Dezember 2030 die Bundesregierung, der Bundestag oder gemeinsam mindestens drei Länder Verhandlungen über eine Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen verlangt haben und mit Ablauf von fünf Jahren nach Notifikation des Verhandlungsverlangens der Bundesregierung, des Bundestages oder der Länder beim Bundespräsidenten keine gesetzliche Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen in Kraft getreten ist. Der Tag des Außerkrafttretens ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.“

Die Neufassung von Art 107 kann man zum Beispiel hier nachlesen:https://www.buzer.de/107_GG.htm
Da hat sich nichts wesentliches geändert.

Aber bedeutet Art. 143f, dass es ab 31.12.2030 keinen Finanzausgleich zwischen den Bundesländer mehr gibt, wenn 3 Bundesländer eine Neuverhandlung beantragen und man sich innerhalb von 5 Jahren nicht in Bundestag und Bundesrat neu einig wird?

Wenn ja ist das die praktische Preisgabe eines sicheren Verfassungsanspruchs auf einen Länderfinanzausgleich. Der auch noch früher per Gesetz einen festen (95 % oder so) Prozentwert (https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4nderfinanzausgleich) zum Ausgleich vorsah und heute nur noch eine leicht ansteigende feste Summe vorsieht und sich nur noch aus der Umsatzsteuer speist (https://www.tagesschau.de/inland/bund-laender-finanzen-105.html).

Also der sichere Verfassungsanspruch, und einer der Eckpfeiler unseres sozialen Friedens in Deutschland wurde wohl am 13.07.2017 (https://www.buzer.de/gesetz/12673/a207821.htm) aufgegeben. Wir könnten ab 31.12.2030 erstmals seit Gründung der Bundesrepublik ohne Länderfinanzausgleich dastehen. Dann würde aber auch keine faire Basis mehr bestehen von der aus man in Deutschland zusammen frei wirtschaften könnte. Dann wären wir nur noch eine Wirtschafts-, Verteidigungs- und Rechtsunion mit maximal noch gemeinsamer verfassungsgebundener Grundsicherung, je nach Auslegung des Grundgesetzes. Also quasi ein etwas hellerer Nachtwächterstaat. Also gerade noch eine etwas sozialere EU. Und durch die Föderalismusreform (https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%B6deralismusreform) haben die Länder auch in sozialen und ökologischen Angelegenheiten auch noch mehr Selbstgestaltungrechte. Steuerlich geht das ja sowieso schon. Dann ist dem RaceToTheBottom im sozialen, ökologischen und bei der Länder- internen Sicherheit aber auch innerhalb Deutschlands Tür und Tor geöffnet. Dann arbeiten wir auch hier bald gegeneinander anstatt miteinander. Und im Gegensatz zur EU gibt es in Deutschland auch kein Ausstiegsrecht für die Länder. Alles ganz im Sinne von Hayeks Ideologie der unbegrenzten wirtschaftlichen Freiheit und der Ideologie des Region gegen Region.

Da waren die „Fellows of James M. Buchanan“ aber auf ganzer Linie erfolgreich.

Glückwunsch.

Da hatten die Wertekonservativen geschlafen. Und die sozialen Progressiven waren mit irgendwas anderem beschäftigt.

Zeit das man endlich öffentlich über Herrn Buchanan, seine Fellows und seine Ideologie der streng individuell legitimierten Verfassungsregeln diskutiert.

Und Zeit für die politische sozial- liberale, ausgleichende, regulierende und priorisierende Gegenoffensive. Und bevor jetzt einer nach der AfD ruft. Da sind die Hayeks zusammen mit den zu rechten Ton angebend.

Vielleicht schafft jemand die CDU und die SPD von diesem Hayek- „wir haben ja voll Überschuss“- Kurs abzubringen. Aber alleine schaffe ich das wohl kaum. Und für was stehen die Grünen eigentlich aktuell mit Blick auf die Mehrheit ihrer Bundestagskandidaten.

Macht mit wenn euch etwas an einem ausgeglichenem Frieden und eurer politischen und fair anteiligen individuellen Freiheit gelegen ist. Sonst haben bald die Totalitären gewonnen. Egal ob Oligarchen, Einheitspartei- Sozialisten oder Nazis.

Denkt an Gustav von Schmollers Spruch „Nur der inkonsequente kann für reinen Freimarkt sein und derjenige der seinem eigenen Land schaden will.“ Also wir brauchen eine Ausgleichsunion und keine Saboteure für wen auch immer.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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