Oskar Lafontaine und Heiner Flassbeck (1997)

Bundestagswahl 1998 Oskar Lafontaines und Heiner Flassbecks wirtschaftspolitische Konzepte im Vorfeld der Bundestagswahl 1998

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Ich hatte mal etwas nachgeforscht mit welchen wirtschaftspolitischen Konzepten die SPD unter ihrem damaligen Vorsitzendem Oskar Lafontaine und seinem damaligen ökonomischen Chefberater Heiner Flassbeck eigentlich in der Wahlkampf für die Bundestagswahl 1998 gegangen war.

Dabei bin ich auf einen Kommentar von Herrn Lafontaine vom 27.6.1997 in der FAZ gestoßen, in welchem er genau auf diese Frage recht ausführlich und deutlich eingegangen war:

Titel:Wie werden aus Ersparnissen Investitionen?(fazarchiv.faz.net – kostet 1 €)

Der Untertitel ist „Aufgaben einer modernen Wirtschaftspolitik“.

Zu Beginn regt er sich darüber auf, dass die damalige Bundesregierung den französischen Vorschlag für „die Aufnahme eines Beschäftigungskapitels in den Vertrag von Maastricht“ mit der Begründung abgelehnt hatte, das dieser Vorschlag „unmodern“ sei. Dann schreibt er, dass die damalige Regierung komplett gegen staatliche Beschäftigungsprogramme gewesen sei. Vielmehr sei diese der Meinung gewesen, dass nur „staatliches Sparen, Abbau von Regulierung und die Flexibilisierung der gesamten Gesellschaft … das Gebot der Stunde [seien], weil nur der Rückzug des Staates die Kräfte freisetze, die in der globalisierten Welt dauerhaft für Beschäftigung sorgen können“. Und dass die damalige Regierung „internationale Koordination“ ablehnen würde, da diese ein „Einfallstor für Protektionismus, als Rückschritt im Kampf der Nationen um den besten Standort für den auf dem globalen Markt agierenden Unternehmer“ sei.

Klingt nach gewollter Hyperglobalisierung, inklusive aller negativer Folgen.

Dann schreibt er, dass die Währungsunion ein „Konzept der wirtschaftspolitischen Abstimmung unabhängiger Staaten“ sei und dieses Konzept eigentlich nicht „zur wirtschaftspolitischen Ideologie der von [Helmut Kohl] geführten Bundesregierung, nämlich des Wettkampfs der Nationen“ passen würde. Und er schreibt, dass sie die Währungsunion auch nicht zu den „neoliberalen Kreisen“ passen würde, da diese den „Wettbewerb der Währungen als die Krönung des Wettbewerbs der Nationen“ auffassen würden.

Dann schreibt er, dass diese „neoliberale Politik“ eigentlich, wegen der damaligen „Rekordarbeitslosigkeit“ als „gescheitert“ gelten „müsse“, durch den Druck der Hyperglobalisierung aber als „Alternativlos“ in der Bevölkerung angesehen würde.

Dann stellt er die Frage: „Auf welche Weise aber schafft all dies [die Kohl’sche Politik] mehr Arbeitsplätze?“

Und stellt fest: „Durch die Verbesserung unserer Position im internationalen Wettbewerb, ist die stereotype und – wenn man es genau betrachtet – auf den ersten Blick einzig sinnvolle Antwort. Wie aber bauen die übrigen Länder Europas ihre hohe Arbeitslosigkeit ab? Nach dem gleichen Rezept?“

Man könne seine eigenen Probleme, wie Massenarbeitslosigkeit, im „Wettbewerb der Nationen“, welchem er ein kooperatives Modell gegenüberstellt, also nur auf Kosten der anderen, welche „im internationalen Wettbewerb verlieren“ zu lösen versuchen. Diese anderen würde dann aber, wenn z. B. die ganze EU diese Taktik versuchen würde, einfach ihre Währung „abwerten“ und die EU würde dann so dastehen wie Japan in den Neunzigern, nämlich „am Rande einer Katastrophe“.

Nach einer kurzen Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung der USA und der EU in den letzten Jahren und den seiner Meinung nach wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen geht er dann auf die „neoliberale“ Strategie ein, durch Senken der Arbeitskosten, z. B. Löhne und Lohnnebenkosten für mehr Beschäftigung zu sorgen. Das könnte für ihn aber höchstens dadurch einen positiven Effekt haben, dass die Arbeitnehmer dann prozentual weniger sparen würden, um ihren Lebenstandard nicht zu verringern. Das kann aber kaum im Interesse der Arbeiter und Angestellten sein.

Dann stellt er fest, dass „Deutschland aber unter dem Deckmantel der Standortverbesserung mit einer realen Abwertung der Mark Arbeitslosigkeit zu exportieren“ versucht. Damit würde die „Regierung Kohl“ eine „Wirtschafts- und Finanzpolitik“ in „Form des Merkantilismus“ betreiben. Also versuchen sich durch den Außenhandel auf Kosten anderer einen Vorteil zu verschaffen,

Zum Schluss schreibt er noch, dass Deutschland in Bezug auf die EU und die Währungsunion „kein Zeugnis seiner Reife ab[legt, wenn es versucht] auf Kosten der anderen seine Probleme zu lösen.“

Fazit:

Da hatte Herr Lafontaine, zugegebener Maßen, dann das zu verhindern versucht, was, nach meiner Meinung, dann ohne ihn tatsächlich eingetreten ist.

Also ich bin auch, wie Heiner Flassbeck und einige andere, der Auffassung, dass Deutschland seinen Haushalt, seine Schulden und das Problem seiner Arbeitslosigkeit, durch den Außenbeitrag, also in auch noch unnötig umfangreichem Maße, „auf Kosten“ seiner, vor allem südlichen und süd-westlichen „Nachbarn“ gelöst hat. Bewusst oder unbewusst. Dies wurde vor allem durch die gemeinsame Währungsunion in Verbindung mit dem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit des EU- Binnenmarktes ermöglichst. Allerdings hat sich Deutschland diese kurzfristige „neo-merkantilistische“ Lösung seiner Probleme u.a. mit starken Lohneinbußen einiger Teile seiner Bevölkerung erkauft.
In der aktuellen Corona- Krise zeigt sich Deutschland zwar finanziell „solidarisch“, eine wirkliche nachhaltige Lösung der Herausforderungen Deutschlands, Europas und der Welt lässt sich aber nur in hinreichender Kooperation mit den anderen Nationen erreichen, nicht im „Wettstreit der Nationen“. Dafür brauchen wir wieder, zumindest so wie zu Zeiten von Oskar Lafontaine als SPD- Vorsitzendem, eine Ideologie freie und tabulose Diskussion über den aktuellen wirtschaftspolitischen Status Quo, national und international.
Und auch keine Freimarkt- Ideologische Politik, die davon ausgeht, dass man überall nur international den freien Markt etablieren müsste, und sich dann automatisch für alle Wohlstand oder gar nur „Genug zum Leben“ einstellen würde. Denn die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes ist einfach zu groß, und die natürlichen Standortbedingungen zu unterschiedlich, als dass man ohne einen Ausgleich, wirtschaftlicher und/oder finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen Grundbedarfsdeckung und hinreichende Regulierung, sozialer, ökologischer und sicherheitsbezogener Art, auskommen oder zu einem hinreichend fairen Handel kommen könnte.

Das wichtige ist, dass man international hinreichend Werte- gebunden kooperiert.

Freimarkt ohne diese Kooperation, ist nur ein „nicht selten tödlicher Wettstreit zwischen den Nationen“ und keineswegs besser als „Merkantilismus“. Das war wohl auch Herrn Lafontaine damals noch nicht so bewusst als er schrieb „Die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Regierung Kohl ist antiquiert. Es handelt sich nämlich um eine Form des Merkantilismus, die schon vor mehr als 250 Jahren durch die Idee des Freihandels überwunden wurde.“

Aber das ist ja schon über 20 Jahre her. Neo- Merkantilismus beschreibt eben gerade die Strategie sich durch die Forderung zum oder den Zwang zum Freihandel/Freimarkt auf Kosten anderer, zum Beispiel durch Überschüsse, welche nicht dem Schuldendienstleisten dienen, zu bereichern.

Nur ein hinreichend kooperativer internationaler Handel kann dem Wohl jedes einzelnen dienen.

Vor denjenigen, die das auch heute noch nicht begriffen haben, oder bewusst ablehnen, muss man sich, früh genug, hinreichend schützen und wappnen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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