SPD- Debatten Camp 2020

#SPDDC20! Ab jetzt "geschlossen" kommunitaristisch?

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Das Überraschendste am SPD- Debatten Camp 2020 war wohl, dass mit Michael J. Sandel einer der bekanntesten Vertreter des Kommunitarismus (https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunitarismus) für eine Diskussion mit dem designierten SPD- Kanzlerkandidat Olaf Scholz live aus den USA zugeschaltet wurde.

Nun handelt es sich beim Kommunitarismus des Herrn Sandel (https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Sandel) ursprünglich um eine kritische Reaktion, aus dem Jahr 1982, auf John Rawls Buch „A Theory of Justice“, in welchem jener durch Rückgriff auf die Originalposition, in welcher jeder so tun sollte als wüsste er nicht welche gesellschaftliche Position er in jener später einnehmen werde, zu einer universellen Moral gelangen möchte, deren gesellschaftsvertragliche Umsetzung jeder freiwillig zustimmen könnte.

Ebenso wie die (Wirtschafts-) libertärenRobert Nozicksund James M. Buchanan lehnt Prof. Sandel den Versuch ab, sich einer universell gültige Ethik annähern zu wollen mit der Begründung ab, da man sich sowieso nicht einig werden könnte. Und „der Schleier des Nichtwissens“ der Originalposition sei irreal.

Allerdings positioniert er sich in seinem neuesten Buch „The Tyranny of Merit: What’s Become of the Common Good?“ vor allem gegen Wirtschafts- libertäre Lehren, dass man Fragen wie die nach einem gerechten Einkommen und ähnlichem einfach dem Markt und der Entscheidung der aktuell Besitzenden überlassen sollte. Vielmehr sollte dies eine Gemeinschaft, basierend auf ihren traditionell gewachsenen Werten, die die Gute- Gesellschaft zum Ziel haben sollten, zusammen festlegen, das Marktergebnis also korrigieren oder schon zuvor Vorgaben machen.

Das fand dann auch Herr Scholz, erfreulicherweise, gut.

Allerdings ist es eben auch wichtig zu betonen, dass es sich beim Kommunitarismus um eine Strömung handelt, die, etwas vereinfacht formuliert, gegen starke staatliche und damit auch supranational- staatliche, Institutionen ist. Für diese Strömung zählen vor allem Gemeinschaften in die man rein geboren wurde, oder mit denen man zumindest feste Eigenschaften teilt. Diese Strömung steht dem Partikularismus (Partikularismus) nahe.

Es werden also gerade keine Zusammenlegungen, auch keine Werte- gebundene, zu größeren Gesellschaften mit mächtigen gemeinsamen Institutionen, also kein „Bundesstaat Europa“, angestrebt, sondern die einzelnen Gemeinschaften sollen weiterhin so handlungsfähig wie möglich bleiben oder auch erst werden.

Und davon, dass man, wie beim libertären Sozialismus, zumindest die Ressourcen fair zwischen den Gemeinschaften teilen soll habe ich in dieser Strömung auch noch nichts gelesen. Aber da Herr Sandel zumindest „das Gute“ als moralisches Ziel ansieht wird man wohl davon ausgehen können, dass er auch für „Gut“ nach außen ist.

Aber eben wohl nur freiwillig, ein EU- Verfassungsreferendum mit Mehrheitsentscheid aller Bürger oder aller EU- Staaten wird er wohl ebenso ablehnen wie hinreichend mächtige EU- Institutionen welche (sozial-) politisch per Mehrheitsentscheid z. B. gemeinsame soziale Sicherheit gestalten können.

Dafür wird er aber dafür sein, dass die einzelnen EU- Staaten auch Wirtschafts- und Sozial- politisch genügend handlungsfähig sind, bzw. wieder werden, denn im Moment sind sie es, wegen des Zwangssystems zur wirtschaftlichen Freiheit, das der EU leider aktuell inhärent ist, nicht. Dafür müssen sie leider gleich die ganze EU verlassen, wie beim Brexit.

Also der Kommunitarismus steht für starke hinreichend homogene Gemeinschaften, die ihre fairen Interessen und ihre Moralvorstellungen jederzeit gegen übergeordnete Zusammenschlüsse durchsetzen können. Also gerade nicht für eine EU in welcher die Mehrheit der Bürger ihre ethischen Wertvorstellungen und fairen Interessen auch gegen den Willen einzelner Teil- Gemeinschaften durchsetzen kann. Aber eben auch nicht für die aktuelle EU, in welcher einzelne Gemeinschaften und auch ganze Staaten in ihrer hinreichenden wirtschafts- und sozialpolitischen Handlungsfreiheit beschränkt sind.

Vielleicht wollte Olaf Scholz zum Ausdruck bringen, dass er dies nicht so sieht, als er fast mit seinem Schlusssatz, seine Ansicht zum Ausdruck brachte, dass nicht die EU das Problem sei, welche die „Globalisierung“, er meinte wohl die neoliberale, zu uns gebracht hätte, sondern unsere einzige Chance sei, gemeinsam, diese sozial demokratisch bändigen zu können. Alle anderen Analysen wären falsch.

Das war dann aber doch zu mehrdeutig, zu unpräzise und zu unkritisch als diesen „Schlusssatz“ einfach so stehen lassen zu können.

Es ist zwar richtig, dass man als Einzelstaat oder gar als Einzelgemeinschaft der Laissez Faire Globalisierung wenig bis nichts entgegensetzten kann, sondern nur Spielball ist und sich daher Werte- gebunden mit anderen zusammenschließen muss, aber eben Werte- gebunden.
Und nicht als Zwangssystem wirtschaftlicher Laissez Faire- Freiheit, in welchem es weder supranationale hinreichend wirtschafts- und sozial- politisch handlungsfähige demokratisch legitimierte Institutionen gibt, noch die Einzelstaaten noch über genügend eigenen solchen Handlungsspielraum verfügen. Der aktuelle Zustand der EU entspricht eben der wirtschaftslibertären Utopie.

So darf die EU nicht bleiben. Es ist zwar „schön“, besser zwingend notwendig, dass Deutschland diesmal, in der Corona- Krise, den anderen EU- Staaten beispringt bzw. zumindest nichts blockiert, wo es auch selbst betroffen ist, und auch ohne Vorgaben zu scharfen sozialen Spar- Einschnitten vorzugeben. Und Olaf Scholz hat auch extra nochmal betont wie wichtig ihm dies ist und das es bei Griechenland falsch lief. Und zukünftig immer so hinreichend kooperativ und sozial laufen sollte. Aber es gibt eben keine Garantie, dass wir, also Deutschland, das beim nächsten mal wieder so machen. Oder gar mal erkannt hätten und auch eingestehen würden, dass (Achtung Standardausführung !! :) )
[ein gemeinsamer Markt, national oder transnational, einen Ausgleich, wirtschaftlicher oder
finanzieller Art, eine Priorisierung der Wirtschaftstätigkeit hin zur allgemeinen
Grundbedarfssicherung und hinreichende staatliche Regulierung für soziale, ökologische oder
sicherheitsrelevante Zwecke braucht.
Ein Ausgleich ist wichtig, da die wirtschaftliche Konzentrationskraft des Marktes hin zu Standorten
mit optimalen Produktionsbedingungen einfach zu groß ist, um die unkorrigierte
Marktentscheidung einfach komplett akzeptieren oder tolerieren zu können.
Das ergibt sich ja schon aus der Hauptaufgabe des Marktes, durch einen fairen Wettbewerb der
Ideen, die optimale Kombination der Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital zu finden. Zur
Erfüllung der Kundenwünsche.]
Deshalb brauchen die übrigen EU- Staaten entweder wieder genügend sozial- und wirtschaftspolitische Handlungsfreiheit oder wir müssen den EU- Institutionen in diesen Fragen genügend Handlungsfreiheit, per einfachem Mehrheitsbeschluss, geben, damit sie uns zur Not, wenn wir uns mal wieder nicht hinreichend „sozial“ im Griff haben, überstimmen können.
Wenn wir zu solchen Änderungen in der EU nicht bereit sind, sollte die betroffenen Staaten eventuell wirklich mal darüber nachdenken, ob sie nicht in einer neuen Koalition mit GB, ohne Zwang zur wirtschaftlichen Freiheit, besser aufgehoben sind.

Dasist eine hinreichend sozialdemokratische Position.

Vielleicht, oder hoffentlich, meinte der SPD Co- Vorsitzende Walter- Borjans, bei dem ich gestern auch sehr gut fand, dass er als Gegengewicht zu Herrn Sandel auch Ulrich Thielemann vom MeM- Institut erwähnt hatte, also explizit einen Vertreter des Strebens nach der Einigung auf eine Universalmoral, Peter Ulrich’scher Prägung, dies, als er in bester, besser berüchtigster, progressiver Manier, mal wieder auf alle konservativen gleichzeitig abgeledert hatte, dass man eine Wandel bräuchte und „die Konservativ“ dem entgegenstehen würden, da die immer alles einfach so lassen wollten wie es aktuelle gerade ist. Also lieber Nobert Walter- Borjans bitte, auch nicht im Eifer des Gefechts, alle Strukturkonservativen mit Wertekonservativenhttps://de.wikipedia.org/wiki/Wertkonservatismus(Erhard Eppler(SPD)) in einen Sack stecken.
Den aktuellen Zustand der EU darf man nicht konservieren, da hast du recht. Auch da es sonst die EU als Objekt des Zustands wohl nicht mehr lange gibt, und auch in dem Fall eher nicht mehr geben sollte. Aber definitiv nicht jeder Wandel ist positiv, z. B. der progressive „Neoliberalismus“ wie ihn Nancy Fraser (https://de.wikipedia.org/wiki/Nancy_Fraser) warnend beschrieben hat. Und da sind soziale und liberale Konservative auf jedenfalls nützlich, zumindest relative. Progressive sind ja meist nur mit ihren eigenen Zielen beschäftigt, und sehen eher nicht was alles schiefgehen kann und gerade geht, oder „rand“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ayn_Rand). Daher bin ich weiterhin für eine zusammenarbeit zwischen Konservativen und Progressiven, solange oder damit nicht es eine Seite übertreibt.

Bei Herrn Walter Borjans fand ich auch noch gut, dass er mal die Wichtigkeit der Sicherheit betont hatte, ohne gleich, der halben Staaten Welt ein Vetorecht dabei einräumen zu wollen. :)So könnte er sogar aus meiner Sicht noch für hinreichende Sicherheit stehen und auch für mich, und den „Sozial und Sicher“- Trupp, wählbar werden.

Zum Abschluss noch eine Anmerkung zu Olaf Scholzs Wunsch nach Geschlossenheit der SPD bzw. seiner Aussage, dass diese es sei. Ich finde es wichtig, dass jeder in einer Partei seine politisch Ansichten und Werte vertritt und auch trotz „Fraktionszwangs“ nichts mit trägt, was dem nicht hinreichend nahe genug entspricht, um es der Mehrheitsfähigkeit wegen noch akzeptieren oder zumindest tolerieren zu können. Und wenn man Mitglied einer Partei ist, die sich als sozialdemokratisch bezeichnet, ist man damit auch schon die Verpflichtung eingegangen sich hinreichend sozial, nach innen und außen, zu verhalten. Und dazu gehört eben auch, die anderen nicht einem unsozialen Deutschland ausliefern zu wollen, wenn denn mal wieder die falschen gewählten wurden. Sie müssen uns eben (wirtschaftlich) ab- wehren oder uns überstimmen können. Beides kann man im momentanen Zustand der EU, vor allem im Euroraum, aber nicht, als Mitgliedstaat.

Also daher lieber Olaf werde bzw. bleibe ein konsequenter, zu Ende denkender Sozialdemokrat, dann können dich die Sozialdemokraten in der SPD beim Bundesparteitag und dann alle Sozialdemokraten und möglichst hinreichend viele weitere, bei der nächsten Bundestagswahl auch, und mit dir die SPD, wählen, oder eine inhaltlich vergleichbare Partei, ich will ja überparteilich schreiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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