Südamerika und die Wirtschaftslibertären

Von Chile bis Brasilien Über den Einfluss der "Chicago Boys", James M. Buchanan und Co. auf Südamerika. Gestern und heute.

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Südamerika hat ja geschichtlich auch schon einiges hinter sich, wie man zum Beispiel hier,https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_S%C3%BCdamerikas, nachlesen kann.

Auf eine Zeit vor etwa 1400 Jahren wird aktuell der Beginn der menschlichen Besiedlung Südamerikas datiert. Wohl von Sibirien aus.

Im 16. Jahrhundert begann dann die Kolonialzeit durch die Europäer. Hauptsächlich durch Spanien und Portugal.

Und im 19. Jahrhundert kam es dann zu erfolgreichen Unabhängigkeitskriegen in Südamerika.

Die südamerikanischen Staaten wurden politisch frei von ihren ehemaligen Kolonialmächten.
Jedoch meist (noch) nicht demokratisch. In Brasilien gab es zum Beispiel noch bis Ende des 19. Jahrhunderts eine Monarchie aus dem ehemaligen portugiesischem Adel. Und auch in den ersten Jahrzehnten nach der Republikgründung gab es keine echte Demokratie sondern eine Oligarchen- Herrschaft, welche sich auf den Kaffeehandel stützte. Diese wurde erst durch Getúlio Vargas’s (https://de.wikipedia.org/wiki/Get%C3%BAlio_Vargas) „wohlwollender Diktatur“ 1930 gestürzt. Erst nach dem 2.Weltkrieg kam es bis 1964 zu einer stärker demokratischen Phase. Diese endete aber wie fast überall in Südamerika mit einer von den USA unterstützten Militärdiktatur, welche sich vor allem aus der Furcht vor der weltweiten Ausbreitung sozialistischer Diktaturen aber auch schon sozialistischer Reformen legitimierte.

Zwischen den 60er und 80er Jahren kam es quasi in ganz Südamerika zu solchen „Antikommunistischen“ Militärdiktaturen.

Wobei erst Diktaturen der 70er und 80er Jahren wirtschaftspolitisch deutlich die Handschrift der Anhänger des „Primats der wirtschaftlichen Freiheit“ trugen. Als 1964 „Branco“ in Brasilien an die Macht kam setzte dieser noch wirtschaftspolitische Maßnahmen durch, die auch auf staatliche Intervention setzten (https://en.wikipedia.org/wiki/Humberto_de_Alencar_Castelo_Branco).
Ganz anders sah das in Chile aus, woAugusto Pinochet1973 zum Diktator wurde. Dieser hatte zunächst wirtschaftliche Reformen nach der Empfehlung der „Chicago Boys“, allen voran beraten durch Milton Fridman, durchgeführt (https://en.wikipedia.org/wiki/Military_dictatorship_of_Chile_(1973%E2%80%931990)#Economy_and_free_market_reforms). Diese hatten auch zunächst einen positiven Effekt aber nur bis zur ersten internationalen Krise.
Eine wenig diskutierte Frage ist hier auch welche Rolle James M. Buchanan bei der wirtschaftslibertären Umgestaltung der Verfassung in Chile spielte. Laut Nancy Maclean’s Buch „Democracy in Chains“ war er dabei als Berater maßgeblich beteiligt. Ansonsten schreibt über die Urheberschaft der Umgestaltung der chilenischen Verfassung in den 1970ern, vor allem in Deutschland, fast keiner. Selbst als diese Verfassungsverunstaltungen letztes Jahr durch ein Verfassungsreferendum wieder zurückgenommen werden sollten, schrieb hier keiner auf wessen Ideen diese „Verfassungsbremsen“ eigentlich beruhten. Mein Kommentar in der „TAZ“ hat da jetzt scheinbar auch keine Verlinkung zu einem Artikel mehr:https://taz.de/!ku67430/.

Wobei. Da das Referendum wegen Corona verschoben wurde, wäre ja eigentlich genug Zeit zum diskutieren.
Dann würden bei uns vielleicht auch mehr Menschen bei Ideen wie der „Sozialabgabenbremse“ für die deutsche Verfassung z. B. von unserem Wirtschaftsminister Herrn Altmeier 2019 genauer hinhören und nachforschen welchen Einfluss die „Lehren“ des Herrn Buchanan bei uns eigentlich haben und warum.

Die Zeit der (rechten) Diktaturen in Südamerika ist ja glücklicher Weise, zumindest aktuell, vorbei. Aber viel zu rechte Staatschefs, wie Jair Bolsonaro (https://de.wikipedia.org/wiki/Jair_Bolsonaro) in Brasilien aktuell, sind auch schon so schon problematisch genug. Da sind die wirtschaftslibertären natürlich auch wieder ganz vorne mit am Start:https://makroskop.eu/das-neoliberale-rentenmodell/. Vor allem Paulo Guedes,https://de.wikipedia.org/wiki/Paulo_Guedes.

Bis sich politisch die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass gefährliche und unsoziale Ungleichgewichte im freien Markt der Normalfall und nicht die Ausnahme sind, siehe zum Beispiel hierhttps://makroskop.eu/10-2021/wer-war-eigentlich-joan-robinson/, die aktiv politisch hinreichend ausgeglichen werden müssen, und zwar auch wenn man gerade zu den „Gewinnern“ gehört, wird es wohl weiterhin soziales Elend, Zusammenbrüche und zu rechte oder zu links totalitäre Regierungen geben und früher oder später auch wieder große Kriege. Man muss eben kooperieren und/oder fair teilen, daran führt kein weg vorbei und eine unsichtbare Hand, von wem auch immer, die das für einen erledigen würde gibt es nicht. Und wenn einige nicht freiwillig fair teilen muss man sich gegen die eben wehren können. Am besten basierenden auf supranationalen sozialen/ausgleichenden durchsetzbaren Rechten oder eben national oder, wenn man sich die Entwicklung des Rechts auf einen Länderfinanzausgleich anschaut, mittlerweile sogar regional, am besten in einem „Verbund der Willigen“. Dann muss man eben gemeinsam von außen „ausgleichen“.
Und in Deutschland kommt diese Forderung nach einem sozialen Ausgleich viel zu kurz, nach meiner Meinung und Erfahrung. Da muss ich dann auch dem Autor dieses Artikelshttps://makroskop.eu/10-2021/setze-dich-an-die-spitze-der-bewegung-um-sie-zu-untergraben/widersprechen. Selbst ein inner- deutscher Ausgleich, gerne auch indirekt durch einen ausgleich nach außen,solange das fair ist, ist im aktuellen Wahlkampf in Baden-Württemberg, Rheinland- Pfalz und Hessen kein Thema. Da heißt es vor allem von den Parteien CDU und SPD meist immer nur „Wir. Hier. Für uns“. Also sogar „Region gegen Region“ anstatt nur „Staat gegen Staat“, wie man es seit den 70ern ja schon leider gewöhnt ist. Jeder will nur selbst gewinnen, weil man es angeblich muss. Aber wer das soziale und sicherheitstechnische „Race to the Bottom“ gewinnt, ist eben nur als erstes zum Bodensatz geworden. Profitieren tut da am Ende nur der, der sich nicht daran beteiligen musste. Wenn überhaupt einer. Und auch von den Grünen hat man zumindest in Rheinland- Pfalz vor allem das Thema „Umwelt“ gehört. Also das Ziel „hinrechende aktive Umverteilung“ wird definitiv aktuell, nach meiner Sicht der Dinge, zu wenig gefordert und nicht zu viel. Außer von der „Partei die Linke“ vielleicht. Die tritt aber nach meiner Meinung zu sehr „Anti- Sicherheits- orientiert“ auf und ist gegenüber totalitaristisch sozialistischen Staaten „etwas“ zu unkritisch. Aber zurück zu dem Makroskop Artikel des Autors. Der hat natürlich recht, dass man Ausgleichsforderungen auch ernst meinen muss und als Wähler, da Parteien auch nicht auf den Leim gehen darf. Aber wenn man behauptet und/oder der Meinung ist, dass ein sozialer Ausgleich im Moment schon zu viel gefordert, wenn auch unehrlich, wird, dann stellt man sich damit auch denen in den Weg, die der Ansicht sind, dass schon die Forderung nach einem überregionalem Ausgleich aktuell viel zu kurz kommt. Denn was nicht mal gefordert wird, wird erst recht nicht umgesetzt.

Denn dafür, dass jeder seinen Teil der sozialen Freiheit, um mal bei einem Artikel über Südamerika auch eine Brücke zu Herrn Hinkelammert,https://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Josef_Hinkelammert, zu schlagen, braucht man einen hinreichenden Ausgleich, wirtschaftlicher und/oder finanzieller Art, neben Priorisierung der Wirtschaftskraft und hinreichender Regulation. Am besten per supranational einklagbarem Recht. Oder zumindest durch genügend nationale Rechte zum Ausgleichen. Also kein „Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit“. Die Aufgabe des Marktes ist es nun mal die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital bezogen auf den Preis und nur hierfür, bestmöglich zu kombinieren. Zu „Boden“ gehören aber auch Standorte. Und die sind nun mal von der (natürlichen) Qualität her ungleich verteilt. Daher schafft der Markt zumindest räumliche Ungleichheit, die man nicht so unausgeglichen akzeptieren oder tolerieren kann.

Auch das wirtschaftslibertäre „Gleichnis“ des, „sich selbst regieren“, ist eben in einem Zwangssystem wirtschaftlicher Freiheit nur ein Schein. Denn zum Regieren gehört nun mal „politische Freiheit“ und die wird ja in solchen Systemen gerade durch Zwang unterdrückt. Es geht eben nur um wirtschaftliche Freiheit, auch auf Kosten der sozialen Freiheit der anderen. Das hat mit „self-government“ nichts zu tun.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

KSLP

Sozial. Sicher. Standhaft. Je nach innen und außen. Und relativ konservativ. :)

KSLP

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