Ausweitung der Kampfzone, Deutsches Theater

Theater-Premierenkritik Das Roman-Debüt von Michel Houellebecq polarisiert, hat aber diskussionswürdige Themen. Regisseur Ivan Panteleev bekam den Stoff nicht in den Griff.

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Die zentrale Passage des Buches, in der Houllebecq den Titel „Ausweitung der Kampfzone“ herleitet und sehr schlüssig die Mechanismen des entfesselten Turbokapitalismus seit den 1990ern mit den Regeln auf dem Fleisch- und Heiratsmarkt der Sex-Partner-Wahl vergleicht, geht in einer Slapstick-Nummer unter: Samuel Finzi (mit blutiger Nase), Marcel Kohler und Jeremy Mockridge haben Kathleen Morgeneyer an der Angel und zerren an ihr herum, während sie zappelt und schreit.

Der Abend ist aber nicht nur Karikatur. Zwischen zahlreichen kleinen Mätzchen gibt es auch Momente, in denen eine gewisse Ernsthaftigkeit spürbar ist. Der schlaksige Marcel Kohler, der sich mit Finzi die meisten Textblöcke des Ich-Erzählers teilt, spielt verklemmten, neurotischen Typen in wenigen Szenen sehr überzeugend. Hier deutet sich das verschenkte Potenzial des Abends an. Auch Kathleen Morgeneyer sorgt für einige stille, sehenswerte Momente.

Die Roman-Adaption hat jedoch schon in ihrer Grundstruktur einige gewaltige Probleme, die für das Scheitern des Abends verantwortlich sind: Es wird nicht klar, was Panteleev und sein Team überhaupt erzählen möchten: Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Autor und Stoff? Oder geht es ihnen nur um eine Karikatur? Außerdem ist die Auswahl der Textstellen viel zu unfokussiert. Houellebecqs Ich-Erzähler entschuldigt sich im dritten Kapitel dafür, dass sein Roman eigentlich nur eine Abfolge von Geschichten und chaotisch sei. Dennoch entsteht daraus ein Mosaik, ein klares Bild einer an sich und seiner Umwelt scheiternden Hauptfigur. Finzi zitiert diese Passage auf der Bühne. Sie kann aber nicht als Entschuldigung dafür dienen, dass sich die Auswahl der auf der Bühne gezeigten, oft mit hysterischem Lachen unterlegten kurzen Szenen nicht sinnvoll zusammen fügt. Auch nach der Lektüre des Romans wirkt es willkürlich und bleibt unklar, wie manche Szenen angeordnet und eingerichtet sind. Ein roter Faden ist an diesem Houellebecq-typisch zu verqualmten Abend nicht ersichtlich.

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