"Balkan macht frei" im Münchner Marstall

Theater-Kritik Um diesen Schauspieler beneiden das Residenztheater sicher viele Häuser: Franz Pätzold schreit und tobt mit einer unglaublichen Präsenz über die Bühne.

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Die Stückentwicklung „Balkan macht frei“ ist ganz auf ihren Hauptdarsteller zugeschnitten. Ursprünglich wollte sich der kroatische Regisseur in der bayerischen Landeshauptstadt mit den Ressentiments gegen Migranten vom Balkan befassen, die von der CSU im Winter 2014 geschürt wurden. Als die Proben begannen, weitete sich der Fokus. Heraus kam ein assoziatives Gewitter, das sich im Marstall des Münchner Residenztheaters entlädt.

Die Anfangsszenen sind räumlich und zeitlich noch klar zu verorten: Pätzold spielt das Alter ego des Regisseurs Frljić, der drei aalglatten Typen gegenübersitzt, die ihn von oben herab behandeln und gönnerhaft als Balkan-Exoten und bunten Farbtupfer für ihr Theater engagieren wollen.

Pätzold bleibt wortkarg in der Defensive, bis er mit Worten und seiner Schreckschusspistole um sich schießt und das Theter-Establishment von „Resi“-Intendant Martin Kusej, Rainer Werner Fassbinder, René Pollesch bis Frank Castorf (in dessen „Baal“ Pätzold ebenfalls mitspielte) niedermäht.

Danach nimmt er sich das Publikum vor. Offensichtlich handelt es sich bei dieser Wut-Suada um eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Pätzold greift auch die Willkommenskultur am Münchner Hauptbahnhof wenige Kilometer weiter und den Dauerstreit zwischen Merkel und Seehofer auf -Ereignisse, die erst nach der Premiere im Frühsommer 2015 stattfanden. Schlagfertig kontert er auch die motzenden Zwischenrufe einer Zuschauerin, dass er doch nur eine billige Kopie von Peter Handkes „Publikumsbeschimpfung“ biete.

Ausführlichere Kritik ist hier zu lesen

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