Berlinale-Eröffnungswochenende 2017

Kritik und Ausblick Sind die Filme besser als 2016, als viel Mittelmaß im Wettbewerb geboten wurde und zu wenige Glanzlichter zu erleben waren?

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Über den Eröffnungsfilm, das Biopic "Django", wurde auf den Fluren der Berlinale-Kinos wieder viel gegrummelt. Ich habe mich stattdessen für zwei Filme aus den Nebenreihen entschieden, die den Wettbewerb um die Bären flankieren.

Im "Forum" enttäuschte der Debütfilm „Dayveon“ von Amman Abbasi. Die Coming of Age-Geschichte des 13jährigen schwarzen Jungen, der sich einer Gang anschließt, plätschert recht belanglos dahin.

Besser war die "Panorama"-Eröffnung: Der Spielfilm „The Wound“ von John Trengove beginnt mit fast dokumentarisch präzisen Schilderungen des Beschneidungs-Initiationsrituals der Xhosa in den Bergen Südafrikas. Der junge Kwanda findet sich in einer patriarchal geprägten Welt mit rauen Sitten, sexistischen und zotigen Sprüchen und sehr starren Rollenbildern wieder. Im Mittelteil droht der Film etwas zu melodramatisch zu werden, das starke Ende versöhnt jedoch.

Ausführlichere Kritik zu den beiden Eröffnungsfilmen

Beide Filme gehören zum Festival-Schwerpunkt "Schwarze Welten", in den der Oscar-nominierte Dokumentarfilm "I am not your negro" eingebettet ist.

Was ist sonst noch am Eröffnungswochenende zu erwarten?

Richard Gere reiste bereits zu Gesprächen mit Angela Merkel und Claudia Roth über sein Tibet-Engagement an und wird am Freitag Hollywood-Glamour an den Potsdamer Platz bringen. Er spielt die Hauptrolle in "The Dinner" (Kritik ist hier erschienen), dem neuen Film von Oren Moverman, der 2009 mit seinem Debüt "The Messenger" überraschte und einen Silbernen Bären gewann.

m Zentrum der Aufmerksamkeit am Roten Teppich werden außerdem die "Trainspotting"-Fortsetzung von Danny Boyle mit Ewan McGregor (Kritik ist hier erschienen) und Josef Haders Regie-Debüt "Wilde Maus" stehen. Er bekommt es darin mit einem fiesen Redaktionsleiter zu tun, den Jörg Hartmann spielt, der an der Schaubühne als "Professor Bernhardi" überzeugte. Sarkastischer, schwarzer Wiener Humor ist hier garantiert (Kritik ist hier erschienen).

Die chilenischen Filme hinterließen 2016 den stärksten Eindruck bei der Berlinale. Das lateinamerikanische Land schickt diesmal "Una mujer fantástica" von Sebastián Lelio ins Bären-Rennen. 2012 war sein Film "Gloria" ein Publikumsliebling und gewann einen Silberner Bären. Dieses Transgender-Drama, das am Sonntag Premiere hat, sollte man sich vormerken (Kritik ist hier erschienen).

Im Panorama lädt der renommierte Dokumentarfilmer Jochen Hick in "Mein wunderbares Westberlin" zu einer Zeitreise in die Protest- und Alternativszene der 70er und 80er ein (Kritik ist hier erschienen). Im Panorama-Spielfilm-Programm erzählt "Insyriated" von einer Familie in Damaskus (Kritik ist hier erschienen).

Besonders vielversprechend klingt in diesem Jahr die Retrospektive "Future Imperfect. Science - Fiction - Film". Dort dürfen natürlich Meilensteine der Filmgeschichte wie "Alien" und "Blade Runner" nicht fehlen, die man wieder mal auf großer Leinwand erleben darf. Wer es noch nicht kennt, sollte außerdem die Chance nutzen, die "1984"-Verfilmung zu sehen und Orwells hellsichtige Zukunftsvision mit den grusligen Tendenzen unserer Realität abzugleichen. Die Retrospektive verspricht in den kommenden zehn Tagen aber auch Entdeckungen aus dem osteuropäischen Kino der 70er und 80er Jahre mit philosophischen Zukunftsbetrachtungen oder einige Raritäten aus der Frühzeit des Kinos.

Zwei letzte Hinweise: in der Reihe "Berlinale Classics" wird am Freitag der Zombie-Film "Night of the Living Dead" von George A. Romero in digital restaurierter Fassung präsentiert. Der Name Milena Canonero dürfte zwar nur wenigen Insidern geläufig sein, die Filme, die sie als Kostümdesignerin ausstattete, sind dafür um so bekannter. Da sie am Mittwoch mit dem Goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wird, ist ihr eine kleine Reihe gewidmet. Dort sind vor allem die Kubrick-Klassiker "Barry Lyndon", A Clockwork Orange" und "The Shining" sowie Wes Andersons "Grand Budapest Hotel" zu empfehlen.

Viel Spaß im Kino!

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