"Das blaue Wunder" von Volker Lösch

Theater-Premierenkritik In Dresden nimmt der für seine klaren Botschaften bekannte Regisseur Volker Lösch wenige Monate vor der Landtagswahl die AfD aufs Korn.

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Ähnlich dogmatisch wie die Maoisten vor einigen Jahrzehnten ihrer roten Bibel des großen Vorsitzenden folgten, hängen hier alle an den Lippen des „Predigers“ Höcke und des „Märtyrers“ Poggenburg.

Über weite Strecken werden Versatzstücke aus diversen Wahlprogrammen der AfD aneinandergereiht. Dramaturgisch klappert das Gerüst dieses Theaterabends gewaltig. Lösch und sein Team zeichnen mit groben Strichen das Bild sich schnell radikalisierender Fanatiker, die sich in Säuberungsaktionen gegenseitig liquidieren und in einer finale Volte mit Islamisten verbünden. Frauen werden zu Gebärmaschinen degradiert, Migranten werden in „Ankerkammern“ abgedrängt. Die Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, die auf mehr soziale Gerechtigkeit hofften, werden im Maschinenraum des Stahlskeletts ausgebeutet. Der holzschnittartige, zur Groteske überzeichnete Abend macht es der AfD leicht, ihn achselzuckend abzutun und predigt vor allem zu den ohnehin Bekehrten, die die AfD niemals wählen würden.

Bemerkenswert ist dieser künstlerisch und ästhetisch enttäuschende Abend vor allem als große Selbstvergewisserung der linken Initiativen in Dresden. In der zweiten Hälfte dieses nur zwei Stunden kurzen, pausenlosen Aufführung senkt sich der Eiserne Vorhang in immer kürzeren Abständen. Der Plot wird durch Statements von zahlreichen, im Programmheft aufgeführten lokalen Aktivist*innen unterbrochen, die über ihre Aktionen gegen AfD und Pegida berichten und die eine große Sorge eint: Was passiert, wenn es nach der Landtagswahl 2019 zu einer schwarz-blauen Regierung kommt? Die meisten treten mit vollem Namen auf, manche anonym, mit dem Rücken zum Publikum oder ganz im Dunkeln, aus Angst vor Übergriffen, falls sie erkannt werden.

Der Dresdner Bürgergesellschaft Mut zu machen und die Vielfalt der lokalen Initativen vorzuführen, ist das zweite zentrale Anliegen von Volker Löschs Inszenierung im Staatsschauspiel Dresden, die bereits vorab viel Staub aufwirbelte. In der Schlusszene kommt der Bürger*innenchor auf die Bühne und skandiert gemeinsam: „Engagiert Euch! Gemeinsam können wir es schaffen, dass Sachsen richtig geil wird!“ Mit stehenden Ovationen werden sie für dieses Statement nach einem Abend gefeiert, der vermutlich in Dresden noch länger nachhallen und weitere Diskussionen auslösen wird.

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