"Das schweigende Klassenzimmer"

Film-Kritik Bei der Berlinale hatte heute ein packendes Zeitgeschichtsdrama Premiere.

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„Das schweigende Klassenzimmer“ basiert auf den gleichnamigen Erinnerungen von Dietrich Garstka und erzählt von einer Abiturklasse in Storkow, die mit Schweigeminuten stillen Protest gegen die sowjetische Niederschlagung des Ungarn-Aufstands im Herbst 1956 einlegten. Kraume verlegte die Handlung nach Stalinstadt (das heutige Eisenhüttenstadt).

Der Film zeichnet sehr präzise nach, wie das totalitäre System die Daumenschrauben anlegt. Die Jugendlichen werden nach allen Regeln subversiver Verhörtechniken unter Druck gesetzt, die „Rädelsführer“ zu benennen. In einer starken Ensemble-Leistung gibt es keine Schwarz-Weiß-Abziehbilder, sondern klar konturierte Figuren, die mit ihren Dilemmata ringen und einen Ausweg suchen.

Überzeugend spielen Jonas Dassler, Tom Gramenz und Leonard Scheicher die wichtigsten Rollen in diesem kammerspielartigen Geschichts-Drama. Alle drei kommen von der renommierten HfS Ernst Busch. Dassler und Scheicher sind dem Berliner Theaterpublikum aus ihren Rollen in „Dantons Tod“ und „Alles Schwindel“ bzw. „Zwei Herren aus Verona“ und „Glasmenagerie“ bereits gut bekannt.

Dassler spielt Erik Babinski, den Sohn eines toten Rotfront-Kämpfers, der an den Sozialismus glaubt und von den zuständigen Ermittlern, der Schuldezernentin (Jördis Triebel) und dem Volksbildungsminister (Burghart Klaußner), als der Dominostein ausgemacht wird, der als erster kippen wird. Scheicher verkörpert das sympathische Schlitzohr Theo Lemke, der vorschlägt, sich mit einer Notlüge aus dem Räderwerk des SED-Staats herauszuwinden. Gramenz spielt Kurt Wächter, den Sohn eines örtlichen Parteikaders in der DDR-Vorzeige-Stadt, der dafür plädiert, den Widerstand bis zum bitteren Ende durchzuziehen. Florian Lukas spielt den Schuldirektor Schwarz, der den Fall anfangs unter der Decke halten möchte und Mitgefühl mit seinen Schülern zeigt, aber von den Ereignissen und seinen Vorgesetzten an den Rand gedrängt wird.

Der Schlussteil dieser ZDF-Co-Produktion droht von melodramatischen Streicherklängen überlagert zu werden. Diese billigen Emotionalisierungsmittel hätte der Film aber gar nicht gebraucht, da der spannende Plot und die starken Darsteller für ein sehenswertes Kino-Erlebnis sorgen.

„Das schweigende Klassenzimmer“ startet gleich nach der Berlinale am 1. März 2018 deutschlandweit in den Kinos.

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