"Der eingebildete Kranke" (Schaubühne Berlin)

Theater-Kritik Der auf 100 Minuten gekürzte Abend kostet jede Blähung seiner Figuren aus, die zucken, zappeln und grimassieren.

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Ganz so als ob bereits Herbert Fritsch an der Schaubühne angekommen wäre, der aber mit seiner dadaistischen Körperkomik erst in der nächsten Spielzeit von der Volksbühne an den Kudamm herüberwechselt.

"„Alles, was raus muss, muss raus!“ schreit Jule Böwe als Béline: Michael Thalheimers „Der eingebildete Kranke“ springt kopfüber in die derbe und drastische Komik.

Die Figuren sind wimmernde, greinende, stark überzeichnete Karikaturen, die jeden Slapstick auskosten und in quietschbunten Kostümen, die an Barock und Rokoko erinnern, durch diese grelle Farce torkeln. Die Körperflüssigkeiten fließen, es wird nach Leibeskräften geröchelt und gekotzt. Die rote Farbe spritzt auf die weißen Kacheln.

Aber Thalheimer wäre nicht Thalheimer, wenn das ganze Komödien-Halligalli nicht doch einen Haken hätte und noch eine Brechung ins Tragische bekäme. Er rahmt den Abend mit einem Solo der Titelfigur, des Hypochonders Argan (Peter Moltzen).

Am Anfang und am Ende steht er ganz allein in seinem engen Krankenzimmer-Quader und rezitiert die"Hölle", ein Gedicht des Barockdichters und Molière-Zeitgenossen Andreas Gryphius: "Ach! und weh! Mord! Zeter! Jammer! Angst! Kreuz! Marter! Würme! Plagen. Pech! Folter! Henker! Flamm! Stank! Geister! Kälte! Zagen! Ach vergeh!" Schmerz und Todessehnsucht von Gryphius rahmen den Komödien-Klassiker von Molière und geben dem Abend einen neuen Dreh.

Ausführlichere Kritik ist hier zu lesen

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