"Der Staat gegen Fritz Bauer"

Film-Kritik Die Meinungen über Lars Kraumes Der Staat gegen Fritz Bauer, der in dieser Woche im Kino startete, gehen recht weit auseinander.

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Auf der Piazza von Locarno gewann er im Sommer den Festival-Publikumspreis. Voll des Lobes war auch Jan Schulz-Ojala, der im „Tagesspiegel“ von einem „Meisterwerk“ mit einem brillanten Hauptdarsteller Burghart Klaußner schwärmte.

Lucas Stern warf dem Film auf critic.de dagegen vor, dass das Drehbuch holprig sei und der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer mit „salbungsvollen Wortsalven“ auf einen Denkmalsockel gestellt werde. Sehr hart ging Daniel Kothenschulte mit dem Film in der „Frankfurter Rundschau“ ins Gericht: Spekulationen über Bauers Homosexualität drängten sich in den Vordergrund. Die Aufarbeitung des Holocaust in Deutschland mit juristischen Mitteln werde zur reinen Nebensache.

Aus meiner Sicht liegt die Wahrheit in der Mitte: Lars Kraume versuchte zwei Genres miteinander zu verbinden, nämlich ein Gesellschaftspanorama der restaurativen Adenauer-Ära mit einem Polit-Thriller. Das gelingt ihm über weite Strecken recht gut. Die Betulichkeit der Nierentische und der penetrant durch den Film wabernde Zigarrenqualm stehen symbolisch für die Atemnot von Fritz Bauer und seinen Mitstreitern, die sich mühsam jeden Milimeter an Freiraum erkämpfen mussten, bevor die 68er-Studenten endlich die Fenster zum Durchlüften aufstießen.

In den stärkeren Momenten bietet Der Staat gegen Fritz Bauer einen spannungsgeladenen Plot voller Winkelzüge, mit denen Fritz Bauer (Burghart Klaußner, der den schwäbischen, stockenden Tonfall historischer TV-Aufnahmen treffsicher imitiert) und der fiktive Nachwuchs-Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) den SS-Mann Adolf Eichmann jagen. Mit Argusaugen wachen die alten Nazi-Seilschaften (hier vor allem von Jörg Schüttauf und Sebastian Blomberg verkörpert) über jeden ihrer Schritte, vor allem über ihre Annäherungsversuche an den israelischen Geheimdienst Mossad, der Eichmann schließlich in seinem argentinischen Versteck kidnappte, so dass ihm in Jerusalem der Prozess gemacht werden konnte.

In seinen schwächeren Passagen ist Lars Kraumes Kinofilm noch zu nah an der Fernsehfilm-Ästhetik. Das ist auch nicht weiter überraschend, wenn man bedenkt, dass in den vergangenen Jahren dort der Tätigkeitsschwerpunkt von Lars Kraume lag. Er wurde vor allem als Regisseur und Drehbuchautor der Frankfurter „Tatort“-Sonntagabend-Krimis mit Nina Kunzendorf und Joachim Król bekannt.

Manche Szenen schleppen sich zu langatmig dahin, einige Dialoge sind zu hölzern geraten. Unter dem Strich bewerte ich Kraumes Zeitreise in die späten 1950er Jahre trotz markanter Schwächen dennoch als geglückt – vor allem im direkten Vergleich mit dem zu melodramatischen „Im Labyrinth des Schweigens“, das im November 2014 in den Kinos lief und ebenfalls von den Versuchen der Frankfurter Staatsanwälte berichtete, Nazis zur Rechenschaften zu ziehen und die Auschwitz-Prozesse vorzubereiten.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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