"Die Backchen", Burgtheater

Theater-Kritik Ulrich Rasche inszenierte zum Spielzeit-Auftakt die griechische Tragödie des Euripides.

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Spötter könnten es sich einfach machen und „Die Bakchen“, mit denen Martin Kušej vor wenigen Wochen seine Burgtheater-Intendanz eröffnete, als serielle Fließbandarbeit von Ulrich Rasche abtun. Wieder einmal baute er eine dieser überdimensionalen Maschinen-Walzen, die ihn zum Schrecken vieler Bühnentechniker*innen machen und die Organisator*innen des Theatertreffens bei der Suche nach einer passenden Gastspielstätte kapitulieren ließen. Wieder einmal rekrutierte Rasche junge, gut trainierte Studenten der örtlichen Schauspielschule, die er halbnackt mehr als drei Stunden in enormer Dezibel-Lautstärke brüllen und marschieren lässt.

Damit würde man diesem Abend nicht gerecht. Rasche hat sich nicht einfach einen archaischen Text geschnappt und ihm seine Regie-Methode übergestülpt, sondern aus der antiken „Bakchen“-Tragödie des Euripides einen Abend gemacht, der auch an unsere Gegenwart drängende Fragen stellt.

Den Machtkampf zwischen Gott Dionysos und dem Herrscher Pentheus liest Rasche nicht primär als Kampf zwischen Rausch und Vernunft, sondern ganz aktuell als Auseinandersetzung zwischen populistisch aufgepeitschten Massen und einem starken Staat, der die herrschende Ordnung verteidigen will.

Als Euripides seine „Bakchen“-Tragödie schrieb, war die attische Demokratie in der Krise und das kurze „Goldene Zeitalter“ vorbei. Rasche schlägt den Bogen ins heute zu einer Demokratie unter Druck und lässt seinen Chor mit einem berühmten Schlachtruf von Gauland und Höcke marschieren: „Wir holen uns unser Land zurück!“, skandieren die jungen Männer und wenigen Frauen. Bedrohlich wälzt sich der Mob dem Publikum entgegen: einer der eindrucksvollsten Momente des Abends.

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