"Eva" und "Transit"

Berlinale-Wettbewerb Auf ganz unterschiedliche Weise enttäuschten die Wettbewerbsfilme "Eva" und "Transit"

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Wenn Isabelle Huppert und Gaspard Ulliel die Hauptrollen in einem Beziehungsthriller spielen, sollte eigentlich nichts schiefgehen. Auch der Stoff klang vielversprechend: Der schnöselige Callboy Bertrand kam zu unverdientem Ruhm, da er das Manuskript eines sterbenden Kunden als sein eigenes ausgab. Als sein Agent ihm Druck macht, bald den nächsten Kassenhit zu liefern, gerät der Junge an die Edelprostituierte Eva, die ihm in allen Belangen überlegen ist und sich von ihm nicht überlisten lässt.

Benoit Jaquot bekommt den Stoff jedoch nicht in den Griff. Seine „Eva“ ist ähnlich betulich wie sein Historien-Melodram „Les adieux à la reine“, mit dem er 2012 die Berlinale eröffnen dürfte. Isabelle Huppert und Gaspard Ulliel sind in diesem Film unterfordert: die eine darf etwas mit der Domina-Peitsche wedeln, der andere treuherzig aus seinen blauen Augen schauen. Statt eines Thrillers mit Raffinesse und Spannungsbogen bekommt das Publikum nur ein gemächlich dahin plätscherndes Konversationsstück.

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Als sich Christian Petzold und der mittlerweile leider verstorbene Harun Farocki im Jahr 2014 daran machten, eine Drehbuchfassung für den Emigrations-Roman-Klassiker „Transit“ von Anna Seghers zu verfassen, wurden sie von der Realität gleich doppelt eingeholt: Nach einer Welle von islamistischen Anschlägen wurde in Frankreich der Ausnahmezustand verhängt. Die Polizeipräsenz ist dort auch für jeden Touristen beklemmend spürbar. Zweitens stieg die Zahl der Flüchtlinge, die über das Mittelmeer oder die Balkanroute aus Afrika und dem Nahen Osten in die EU strömten, im Sommer 2015 stark an.

Die beiden Filmemacher warfen ihr Konzept über den Haufen und versuchten stattdessen, die beiden Zeitebenen zu einer Art „ewigem Transitraum“ zu verbinden. Das ist interessant gedacht, der Film ächzt aber unter seiner Kopflastigkeit und Halbherzigkeit. „Für die Exilanten wird die Zeit angehalten und dreht sich nicht mehr weiter. Die Vergangenheit, die sie haben, interessiert niemanden. Eine Zukunft haben sie nicht, sie leben nur im Jetzt. Und das Jetzt nimmt sie nicht auf“, erklärt Petzold in einem Interview.

In der Praxis sieht das auf der Leinwand so aus: Georg (Franz Rogowski), Marie (Paula Beer) und Richard (Godehard Giese) sprechen über die Nazi-Besatzungsmacht und die Konzentrationslager. Im nächsten Moment unterhalten sich die Figuren mit dem kleinen Jungen Driss (Lilen Batman) über Borussia Dortmund oder sitzen vor dem Flachbildfernseher. Zäh schleppen sich die knapp zwei Stunden dahin. Die Figuren sind wie „Gespenster“ (so hieß auch Petzolds Wettbewerbs-Film von 2005) im Stillstand gefangen. Im Hintergrund raunt Matthias Brandt in einer Doppelrolle als Erzähler und Wirt des Bistros „Mont Ventoux“ mit sonorer Stimme einige Passsagen aus der Romanvorlage von Anna Seghers.

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