"Fallen": Testosteron im Sandkasten

Tanz/Theater-Kritik Das Gorki setzt sich auf dem Vorplatz mit Vorstellungen von Männlichkeit und Gewalt auseinander. Nur noch an zwei Abenden zu sehen!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Mit stolz geschwellter Brust und einer Doppelpremiere startete das Gorki in die neue Spielzeit 2014/2015: die Wahl zum Theater des Jahres durch die Fachzeitschrift Theater heute ist hochverdient. Shermin Langhoff und Jens Hillje brachten frischen Wind an den Kupfergraben und in die Theaterlandschaft.

Die erste Neuinszenierung Fallen konfrontiert die Zuschauer mit einer über weite Strecken fast wortlosen Choreographie, testosterongeladenen Schauspielern und demonstrativem Muskel-Posing. Sebastian Nübling und Ives Thuwis lassen die zehn Jungs, allesamt Profischauspieler, aufeinander eindreschen. Brutale Body-Checks, Keuchen und Stöhnen. Im Sandkasten, der auf dem Vorplatz eigens errichtet wurde, toben sich die Schauspieler aus. Doch wozu? In der Vorankündigung wurde die Inszenierung als Auseinandersetzung mit Gewalt, Männlichkeitsbildern und Körperlichkeit intellektuell aufgeladen. Stattdessen gibt es nur ein – passend zum Sandkasten – banales Spektakel. Ulrich Seidler bewertete den Abend in der Berliner Zeitung treffend als “eine unreflektierte, tautologische, formale Übung”.

Als man sich schon damit abgefunden hat, dass die zehn schwitzenden Männer zum x.-ten Dauerlauf quer durch die Arena ansetzen werden, beginnen Tamer Arslan und Aram Tafreshian ihre ganz eigene Show. Beide ziehen sich bis auf die Unterhose aus, Tamer Arslan genießt es sichtlich, seinen durchtrainierten Körper zu präsentieren und das Publikum mit anzüglichen Bemerkungen zu provozieren. Er fixiert ein junges homosexuelles Pärchen in der ersten Reihe und stichelt: He Du, genau, Dich meine. Du willst doch bestimmt meine Brustwarzen lecken. Ich weiß genau, dass Du das willst. Aram Tahresian rennt derweil im Kreis und wackelt bei halb heruntergezogener Hose mit seinen Pobacken vor den pubertierenden Mädchen herum, die rot werden und nicht recht wissen, wie sie mit der Situation umgehen sollen. Ein Besucher der Voraufführung berichtete auf nachtkritik.de über Jugendliche, die von der Mercator-Stiftung eingeladen waren und ihren Unmut demonstrierten.

Tieferen Erkenntnisgewinn bietet auch diese Passage der Inszenierung nicht, nach einer knappen Stunde wurde das Publikum in den warmen Spätsommerabend entlassen. Wenn das Gorki zu Saisonbeginn “einfach mal auf die Kacke hauen wollte”, ist dieses Ziel jedenfalls erreicht. Den Schauspielern hat es sichtlich Spaß gemacht, Tamer Arslan hatte schon vorher ein breites Grinsen im Gesicht.

Nur noch zwei Vorstellungen am 6. und 8. Juli, jeweils von 21 bis 22 Uhr

http://www.gorki.de/spielplan/fallen/

Der Text wurde zuerst am 17. September 2014 hier veröffentlicht: http://kulturblog.e-politik.de/archives/492-fallen-testosterongeladene-sandkastenspiele-vor-dem-gorki.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Kultur_Blog_

Aktuelle Rezensionen zu Kino, Theater, Oper, Kabarett, Tanz, Literatur

Kultur_Blog_

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden