"Frankenstein/Homo Deus" am Thalia Theater

Theater-Premierenkritik Jan Bosse hat eine bunte Revue kurzer Szenen arrangiert, inspiriert vom „Frankenstein“-Roman von Mary Shelley und dem Sachbuch„Homo Deus“ von Yuval Noah Harari.

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Nach dem Zufallsprinzip zieht am Einlass jeder eine Karte und wird einer Farbgruppe zugeteilt. In welcher Gruppe man landet, ist in diesem Fall nicht weiter von Bedeutung: Jeder Zuschauer kann alles sehen, nur die Reihenfolge der Stationen unterscheidet sich.

In den ersten zwei Stunden sind z.B. „Anatomietheater“ auf der Bühne live dabei, wie Dr. Frankenstein (Sebastian Zimmler) und sein Assistent Igor (Marie Löcker) ihre Kreatur Frankenstein zum Leben erwecken. Pascal Houdus ist als bandagiertes, farbige Bröckchen spuckendes, sabberndes Ungetüm so entstellt, dass eine Hamburger Dame im Publikum bei seinem Annäherungsversuch laut „Nein“ kreischte, weshalb er lieber auf dem Schoß sympathischerer Zeitgenossen Platz nahm, bevor er seinen Meister ermordete und im Blutrausch nach draußen stürmte.

Eine weitere Nummer ist der Auftritt einer gesprächigen Putzfrau, das ist natürlich eine Paraderolle für Karin Neuhäuser. Dem Androiden (Thomas Geiger) zieht sie, gerade als er zu einem wissenschaftlichen Vortrag ansetzen wollte, kurzerhand den Stecker, weil hier mal dringend durchgesaugt werden muss. Mit alltagsphilosophischen Betrachtungen über den Menschen als selbsternannte Krone der Schöpfung, die Last des Älterwerdens in einer durchökonomisierten Gesellschaft und den für Neuhäuser typischen schnoddrigen Sprüchen unterhält sie das Publikum im Mittelrang, wo traditionell Einführungen und Premierenfeiern am Thalia stattfinden.

Im „Forschungslabor“ läuft eine Menschenjagd der beiden Wissenschaftler (Paul Schröder und der Zürcher Ensemble-Neuzugang Jirka Zett) aus dem Ruder. In Schutzanzügen und mit Laserschwertern sind sie auf der Suche nach dem einzigen Menschen, der sich unter all den Robotern im Publikum versteckt haben soll. Nach einigen Mitmachspielchen endet die Show mit der Pointe, dass nur Menschen anwesend sind und der eine Wissenschaftler den anderen in eine Falle gelockt hat, um ihn als Roboter zu überführen.

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