"Im Herzen der Gewalt" an der Schaubühne

Theater-Premierenkritik Thomas Ostermeier brachte den autobiographischen, essayistischen Roman von Édouard Louis über eine traumatische Vergewaltigung auf die Bühne.

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Langsame, tastende Suchbewegungen prägen den Beginn dieses Theaterabends: ein Ausprobieren und Verwerfen. Hektisch geschnittene Szenen, die noch recht statisch sind. Zu fast durchgehender Schlagzeugbegleitung von Thomas Witte erleben wir eine Annäherung an den Roman, die phasenweise eher an eine szenische Lesung erinnert und kurz darauf zu stark überzeichneten Karikaturen Zuflucht sucht.

In der zweiten Stunde gewinnt der Abend an Qualität, wird dichter und spielerischer: Alina Stiegler und Laurenz Laufenberg spielen sich in den Rollen der ungleichen Geschwister, die sich an das Verbrechen erinnern, die Bälle immer besser zu. Ein wesentliches Bauprinzip des Romans ist, dass Clara (Stiegler) ihrem Mann berichtet, was ihr Édouard (Laufenberg) anvertraut hat und dabei oft sehr schnippisch ihre Wertungen einbaut. Ihr Bruder ist dort zu Besuch und belauscht das Gespräch heimlich. In einem kursiv gedruckten inneren Monolog widerspricht er Claras Erzählungen und ergänzt sie mit Rückblenden. In Ostermeiers Inszenierung wird daraus in den stärkeren Szenen der zweiten Hälfte ein Ping-Pong aus kurzen Repliken.

Hervorragend spielt Laufenberg die Mischung aus Begehren und Zögern, als Schuch in der Rolle des Reda nun auch offen die Bühne tritt. Das spielerische Flirten, das Umkippen in Aggression, die wachsende Angst nach der ersten Würgeattacke mit einem Schal, die sich zwischenzeitlich kurz glättenden Wogen und die Wutausbrüche Redas, die in die Vergewaltigung münden, sind schwierige Szenen, die Laufenberg und Schuch überzeugend meistern.

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