Let them eat money

Theater-Premierenkritik Andres Veiel spielt am Deutschen Theater Berlin ein Katastrophenszenario durch.

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Der Euro ist nach dem Austritt Italiens und Panikverkäufen abgestützt, es kommt zu Massendemonstrationen und Plünderungen. Das Parlament der Rumpf-Nord-EU löst sich auf, die Infrastruktur wird meistbietend an einen chinesischen Staatskonzern verscherbelt. Ein neue Parkinson-ähnliche Volkskrankheit grassiert, NOVA, eine Mischung aus Pharma- und Agrar-Konzern, forscht auf künstlichen Inseln an einer Chip-Technologie. Wegen weltweiter Dürreperioden stieg der Migrationsdruck gewaltig an, das Saatgut hat NOVA monopolisiert. Dieser Albtraum ist auf das Jahr 2028 datiert.

Im schwarzen Anarchia Anticapitalista-Outfit tritt die „Let them eat money“-Bewegung auf den Plan. Der Computer-Nerd Onz (Thorsten Hierse) und die alleinerziehende Aktivstin Yldune (Kathleen Morgeneyer) gründen ein Kommando, das die Strippenzieher in Politik und Wirtschaft entführt und vor das Tribunal ihrer 11.000 Follower stellt. Todesstrafe: ja oder nein?

Die Inszenierung „Let them eat money – Welche Zukunft?!“ ist als dritter Akt eines vierstufigen, gemeinsamen Prozesses des Deutschen Theaters Berlin und der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss gedacht.

Das Gesamtprojekt ist sehr ambitioniert und auch der Theaterabend gibt einige interessante Denkanstöße. Die Figuren verhandeln z.B. die spannende Frage, ob das Grundeinkommen, für das Linke wie Katja Kipping im realen Leben und das fiktive Duo Roloeg/Rosser im Stück werben, ein emanzipatorisches Projekt ist, das zu einer sozialeren, selbstbestimmteren Gesellschaft führt? Oder ob es sich um ein Trojanisches Pferd handelt, das von Arbeitgeber-Seite genutzt wird, um im nächsten Schritt die Sozialversicherungssysteme abzureißen und den Sozialstaat auf eine Mindestsicherung zu schrumpfen?

Das Problem des Theaterabends ist jedoch, dass die Figuren am Reißbrett entwickelt wurden und durch einen kolportage-artigen Plot hetzen, an dessen Ende Yidunes Tochter Sina (Luise Hart) vor der Entscheidung steht, ob sie die aus dem Ruder gelaufenen Aktionen ihrer Mutter und ihres Ziehvaters weiter mitträgt.

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