Lina Beckmann als "Rose Bernd"

Theater-Kritik Am Schauspielhaus Hamburg erntete Lina Beckmann in der Hauptrolle von Gerhart Hauptmanns Drama Jubelstürme.

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Die Konflikte dieser Figur sind uns ein Jahrhundert später sehr fern: das junge Bauernmädchen fürchtet um ihre Ehre, kämpft gegen eine arrangierte Ehe und sieht am Ende keinen anderen Ausweg, als ihr Neugeborenes im Straßengraben umzubringen.

Aber Lina Beckmann spielt diese Verzweifelte so eindrucksvoll, mit schmerzverzerrtem Gesicht, mit den Armen rudernd, mit den Augen um Hilfe flehend, sich windend und krümmend, schwitzend und in den kurzen Momenten der Hoffnung keck auftrumpfend, dass sie es schafft, das Publikum auch heute noch einen langen Theaterabend hindurch für das Schicksal ihrer Figur zu interessieren.

Zu kritisieren gibt es an diesem Abend natürlich auch einige Details: die Harlekin-hafte Verkleidung und Schminke von Lina Beckmann mit Unmengen von Lametta im Haar ist zwar ein Hingucker, erfüllt aber keinen nachvollziehbaren dramaturgischen Zweck. Auch die Tauben, die den Abend leitmotivisch prägen (auf den Kirchenfenster-Bildern als Friedenstauben, als Attrappen, denen die Hauptdarstellerin den Hals umdreht, sowie in Natura in kleinen Käfigen auf der Bühne herumflatternd), kommen etwas zu penetrant vor. Zu manieriert wirkt außerdem das ständige Zittern und Schlottern des linken Arms von Maik Solbach, der Roses Verlobten August Keil spielt.

Insgesamt war diese „Rose Bernd“ ein starker Auftakt, der die Vorlage ernst nimmt und behutsam modernisiert. Das Schauspielhaus Hamburg hat damit einen ernstzunehmenden Anwärter für eine der zehn Einladungen zum Berliner Theatertreffen. Henkel/Beckmann sind dort keine Unbekannten. Sie waren dort zuletzt 2015 mit einer Bearbeitung von Ibsens „John Gabriel Borkman“ eingeladen, die zwar sehr komisch, aber aus meiner Sicht weniger bemerkenswert war als ihre neue Zusammenarbeit bei der „Rose Bernd“.

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