Macbeth, Peer Gynt und Castrati

Kino, Theater und Ballett Aktuelle Rezensionen: Michael Fassbender als "Macbeth" an schottischen Originalschauplätzen, einem "Peer Gynt" am Deutschen Theater und drei Staatsballett-Choreographien.

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Michael Fassbender versinkt als „Macbeth“ in Nebelschwaden und Blut

An „Macbeth“-Bearbeitungen gibt es wahrlich keinen Mangel. Am Deutschen Theater Berlin hatte erst vor wenigen Monaten Ulrich Matthes in dieser Shakespeare-Rolle Premiere, leider blieb Tilmann Köhlers Regiearbeit ziemlich blutleer.

Der australische Regisseur Justin Kurzel entschied sich für ein opulentes Leinwandspektakel an schottischen Originalschauplätzen: mittelalterliche Heere prallen aufeinander, das Blut spritzt. Die Kamera hält in Großaufnahme drauf, wenn Macbeth den König Duncan ermordet und auch immer sonst, wenn Leiber von Schwertern durchstoßen oder Speeren durchbohrt werden.

Wir erleben eine gekürzte Fassung, die nah an der klassischen Vorlage bleibt, nur ganz am Anfang, vor dem berühmten Auftritt der Hexen, etwas hinzudichtet: das Ehepaar Macbeth bestattet ein Baby. Dass sie ein Kind verloren haben, wurde von Shakespeare nur kurz angedeutet. Hier wird es an so prominenter Stelle in Szene gesetzt, weil Kurzel uns sagen will: die beiden sind schwer traumatisiert und reißen die Welt um sich herum mit in den Abgrund.

Dräuend und wabernd breitet sich ein düsterer Klangteppich über dem Drama aus, graue Nebel wallen durch die Herbstlandschaft, zum großen Finale wird die Leinwand in Rot getaucht. Fürs Auge ist in dieser neuen Shakespeare-Verfilmung, die in Cannes Premiere feierte und in diesem Herbst in den Kinos startete, manches geboten. Es ist deutlich zu merken, dass der Regisseur sein Handwerk bei Werbe- und Videoclips gelernt hat.

An Oberflächenreizen mangelt es in diesen zwei Stunden nicht, leider fehlt dem Film aber der erhoffte Tiefgang. Dieses Defizit kann auch der Glanz der prominenten Besetzung mit Michael Fassbender als Macbeth und Marion Cotillard als Lady Macbeth nicht überstrahlen. Dementsprechend verhalten war die Resonanz in den Feuilletons.

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„Peer Gynt“: Margit Bendokat und Samuel Finzi tasten sich durchs Dunkel

Das Licht ist in den Kammerspielen des Deutschen Theaters stark heruntergedimmt. Samuel Finzi (als Peer Gynt) und Margit Bendokat (in allen anderen Rollen von Aase bis Solveig) tasten sich über den Sand und durch eine stark gekürzte Fassung von Henrik Ibsens dramatischem Gedicht.

Gotscheff-Schüler Ivan Panteleev trieb den Minimalismus, der schon in seiner „Warten auf Godot“-Inszenierung polarisierte, an diesem knapp zweistündigen Abend noch weiter auf die Spitze.

Kunstpausen dehnen sich zu halben Ewigkeiten, jede kleine Geste wird zelebriert. Das mag zwar stellenweise virtuos gemacht sein und Margit Bendokats Stimme, für die man in der deutschen Sprache erst noch ein passendes Adjektiv erfinden müsste, ist immer ein Hörerlebnis. Aber diese Inszenierung ist ansonsten einfach entsetzlich langweilig.

„Duato | Kylián | Naharin“: überzeugender Saisonauftakt des Staatsballetts Berlin

Nacho Duato musste sich in seinem ersten Jahr als Intendant des Berliner Staatsballets, einiges an Kritik anhören. Mit der Auftakt-Premiere seiner zweiten Spielzeit ist ihm jedoch eine sehenswerte, dreiteilige Arbeit gelungen.

Der Abend beginnt mit „Castrati“: ein junger Mann (Wei Wang) wird von einer bedrohlichen Gruppe schwarz gekleideter Männer zu den Barock-Klängen Antonio Vivaldis in die Enge getrieben. Duato studierte diese Choreographie ursprünglich mit seiner spanischen Compãnia Nacional de Danza im Jahr 2002 ein, die Berliner Version überzeugt durch eine bedrohliche Grundstimmung. In einem schnellen Wechsel kurzer Szenen und Schrittfolgen umtanzen die Angreifer ihr Opfer: ein Initiationsritus, der mit der Kastration enden soll. Bekanntlich waren Kastratensänger im 16. und 17. Jahrhundert an den Opernhäusern sehr gefragt, das Programmheft weist darauf hin, dass verzweifelte Eltern damals Theaterdirektoren ihre Söhne anboten und darauf hofften, ein Stück vom Kuchen in diesem florierenden Geschäft abzubekommen.

Pure Lebens- und Bewegungsfreude war nach der Pause in „Secus“ zu erleben. Ohad Naharin hatte seine „Gaga“-Methode von der Batsheva Dance Company aus Israel mitgebracht. Die Experimentierfreude, mit der die Ensemble-Mitglieder sich in Schlangen vor der Bühnenrampe aufreihten und sich zu Pop und Electro-Klängen in raffinierten Bewegungsabläufen ausprobierten, war ein interessanter Kontrast zu klassischem Ballett.

Der Abschluss des Triptychons „Duato | Kylián | Naharin“ konnte das Niveau leider nicht ganz halten: Jiří Kyliáns „Petite Mort“ blieb zu sehr in einer klischeehaften Nacherzählung der klassischen Rollenbilder von Männern und Frauen stecken. Auch wenn diese Choreographie, die bereits 1991 bei den Salzburger Festspielen zu den Klängen von Mozarts Klavierkonzerten uraufgeführt worden war, weniger gelungen ist: insgesamt überzeugt dieser facettenreiche, sinnliche Abend an der Deutschen Oper Berlin.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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