Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet

Theater-Kritik Von historischen Persönlichkeiten des jüdischen Widerstandes und von Quentin Tarantino inspirierter ungewöhnlicher Abend im Studio des Gorki Theaters.

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Das Studio Я kündigt ein „jüdisch-queeres Rache-Musical“ an. Autor/Regisseur Tucké Royale erwähnt in den Vorberichten Quentin Tarantino als eine Referenz des Abends.

Im Kopfkino rauscht sofort ein bunter Film ab: große Emotionen, schräge Songs, oszillierend auf dem schmalen Grat zwischen Glamour und Trash, herausgebrüllte Wut, viel Splatter-Ästhetik und Kunstblut. Kurz und knapp: „Roma Armee trifft Pulp Fiction“. Mit dieser Erwartungshaltung kamen wohl manche heute Abend zur Premiere von „Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet“ in die kleine Studiobühne des Gorki Theaters.

Die kommenden zwei Stunden entwickelten sich deutlich anders: eine sehr minimalistische Ästhetik, die queerem Camp und Glitzer ganz bewusst ausweicht. Die Darsteller auf der Bühne sind demonstrativ in tristes Grau gehüllt. Auch die Maske, die Oscar Olivo in der Hauptrolle der jüdischen Revuetänzerin Dolores trägt, orientiert sich an klassischen, strengen Formen und meidet jeden Prunk. Vom grell-blauen Make-Up auf dem Plakat blieb nicht mal ein zarter Lidstrich.

Der Glamour und die extroviert an der Rampe mit großer Geste zelebrierten Emotionen werden bis zum Schluss verweigert. Mit einem nachdenklichen Monolog über den jüdischen Widerstand klingt dieser Abend noch leiser aus als er begann. „Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet“ unterläuft die Erwartungen konsequent. Einige verließen das Studio sichtlich enttäuscht vorzeitig. Uninteressant war dieses von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen von „Queering Holocaust History“ unterstütze Projekt aber keineswegs.

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