"Perdiendo el norte": die spanische Jugend

Krisen-Komödie Bericht vom Spanischen Filmfest

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Das Interesse an der Komödie „Perdiendo el norte“ war beim 4. Spanischen Filmfestival so groß, dass im Moviemento kurzfristig gleich noch eine zweite Aufführung weit nach Mitternacht drangehängt werden musste.

Der Regisseur Nacho Garcia Velilla widmet sich der Perspektivlosigkeit der jungen Generation: Sie ist so gut ausgebildet wie wohl keine zuvor, hat dennoch kaum eine Aussicht auf einen Job. In der ZEIT wurde vor einigen Wochen eine EU-Statistik zitiert: die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien beträgt 53,5 %!

Aus diesem ernsten Thema möchte der Regisseur eine Komödie machen. Kann das funktionieren? Sein Film, der im März 2015 in Spanien startete und nach dem Filmfest Hamburg zum zweiten Mal bei einem Festival in Deutschland lief, landet immer wieder im Klamauk und lässt lustvoll auch kaum ein Klischee aus.

Trotz dieser Mängel funktioniert der Film erstaunlich gut. Viele junge Spanierinnen und Spanier erkennen sich – nach Gelächter und Applaus im proppenvollen Kinosaal zu urteilen – offensichtlich in der Geschichte von Hugo und Braulio wieder, die ihr Glück in Berlin versuchen und zwischen Sprachkurs und Minijob ihre Orientierung suchen.

Reale Sorgen und Krisensymptome wurden in eine muntere Handlung so verpackt, dass man für 105 Minuten in eine Komödie eintauchen kann, die trotz einiger Klischeefallen und eines kitschigen Endes gut unterhält.

Überzeugender war der anschließend gezeigte Kurzfilm „40 Aniversario“: beim gemeinsamen Frühstück zum 40. Hochzeitstag beichtet sich ein älteres Ehepaar einige seit Jahrzehnten unter den Teppich gekehrte Geheimnisse.

Mit einem sehr guten Gespür für Timing entwickelt sich eine Kaskade aus Andeutungen, irritierten Nachfragen und Offenlegungen der Wahrheit. Scheinbar ganz beiläufig zwischen Brotaufstrich und dem nächsten Schluck aus der Kaffeetasse kommt einiges Unerwartete zum Vorschein.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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