Performance gegen Schubladen-Denken

Tucké Royale im Studio Я: Wenn es einen Wettbewerb um den längsten und skurrilsten Stücktitel gäbe, hätte Tucké Royale beste Chancen auf den ersten Platz.

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„Ich beiße mir auf die Zunge und frühstücke den Belag, den meine Rabeneltern mir hinterließen“ heißt die Solo-Performance, die im Dezeber 2013 im Ballhaus Ost Premiere hatte und mittlerweile zum Repertoire des Gorki-Studios gehört.

Mit Witz und beeindruckender Bühnenpräsenz führt Tucké Royale durch den kurzen, knapp einstündigen Abend aus LGBT-Theorie, autobiographischen Erzählungen, Songs, Verwandlungskünsten und kleinen Scherzen.

Die stärkste Passage ist, als Tucké Royale von der Aufnahmeprüfung an der HfS Ernst Busch berichtet. Die Auswahl-Jury sei mit dieser schillernden Persönlichkeit, die in keine ihrer Schubladen passt, sichtlich überfordert gewesen. Erst im zweiten Anlauf und nach schmerzhaften Kompromissen wurde Tucké Royale unter bürgerlichem Namen zum Puppenspiel-Studiengang zugelassen. Aber als „humanoider Hermaphrodit“ (so die Selbstbezeichnung) eckte Tucké Royale auch dort an und sah sich mit irritierten Nachfragen konfrontiert.

Auf die „Sprengung des Körpergefängnisses“ folgt ein Sprachkurs: „Die Sprache muss befreit werden, damit sie uns nicht hinterherhinkt“, referiert Dr. Tucké Royale. Das Publikum wird aufgefordert, die Lektionen der Personalpronomen (aus „er“, „sie“ und „es“ wird „herm“) nachzusprechen.

Nach der nächsten Umziehpause folgt ein weiteres Lied. Über die „Rabeneltern“ erfährt man nichts Näheres, die im Programmheft erwähnte Geburtsstadt Quedlinburg spielt auch nur eine kleine Rolle. Aber das macht nichts, der Abend dreht sich vor allem um das Hier und Jetzt.

„Ich beiße mir auf die Zunge…“ ist ein selbstbewusster Auftritt, der „frontal gegen die Wand unseres Schubladensystems“ fährt, wie es Elke Koepping treffend ausdrückte.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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