"Point of no return" (Münchner Kammerspiele)

Theater-Kritik Yael Ronen und ihr Ensemble befassen sich in einer Stückentwicklung mit der Panik am Abend des vermeintlichen Terroranschlags im Juli in München.

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"Und dann hat es doch Berlin zuerst getroffen!“, schmollt Wiebke Puls aus aktuellem Anlass auf der Bühne der Kammer 1 an der Münchner Maximilianstraße.

Als sich die Meldungen am 22. Juli, einem heißen Freitagabend kurz vor dem Start der Schulferien, auf Twitter und Facebook überschlugen, dass am Marienplatz, im Hofbräuhaus und am Stachus Schüsse gefallen seien, versetzte dies eine ganze Stadt in Panik.

Wiebke Puls erzählt uns im typischen Stil einer Yael Ronen-Stückentwicklung, bei der man nie so genau weiß, wie viel autobiographische Wahrheiten der Spielerinnen und Spieler in den Abend eingeflossen sind, wie sie den Abend erlebt hat: Sie war in ihrem Theater, aber nicht auf ihrem angestammtem Platz auf der Bühne (am liebsten „Rampe Mitte“), sondern mit ihren beiden Kindern im Publikum.

Zwei Dinge seien ihr durch den Kopf geschossen: Erstens der Stolz, dass der islamistische Terror München nun zuerst getroffen habe: von denen einen als „Weltstadt mit Herz“ geliebt, von den anderen als „Millionendorf“ an der Isar belächelt, in einer ständigen Rivalität zur Hauptstadt an der Spree. Was für eine Reihe: New York – Madrid – London – Paris – Brüssel – und nun eben nicht Berlin, sondern München, freut sich Wiebke Puls. Ihr Kollege Niels Bormann nickt zustimmend. Zweitens habe sie sich vor allem gefragt, was denn IHR Publikum in dieser Ausnahmesituation von dem Star des Ensembles erwarte. Alle Augen seien doch nun sicher auf sie gerichtet, glaubt Wiebke Puls in dieser selbstironisch-zugespitzten Karikatur einer Bühnendiva.

Mit viel schwarzem Humor sind auch die Schilderungen der anderen Spieler getränkt: Dejan Bućin, der auch in Yael Ronens „Common Ground“ am Berliner Maxim Gorki Theater schon dabei war, berichtet, dass er sich mit Socken bei KiK eindecken wollte. Mit den anderen Kunden harrte er zwischen den Wäschebergen aus. Seine größte Sorge galt aber dem fast leeren Akku seines Smartphones. Wie sollte er seine 1.453 Facebook-Freunde jetzt weiter auf dem Laufenden halten. Auch diese kabarettistische Einlage der gekränkten Eitelkeit eines Social Media-Junkies gehört zu den Höhepunkten des Abends.

Ausführlichere Kritik ist hier zu lesen

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