Selbstausbeutung des Kreativprekariats

Theater-Kritik: X-Freunde Hysterisch strampeln sich die drei Figuren auf der fast leeren Bühne durch das Hamsterrad ihres Lebens.

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Felicia Zeller nimmt in ihrem Stück „X-Freunde“ die Selbstausbeutung des Kreativprekariats aufs Korn: ein Abend, der Pflichtprogramm für die bis zum Burn-out von Projekt zu Projekt weiterhetzenden Mitarbeiter der PR-Agenturen und Unternehmensberater-Szene sein sollte.

Tilla Kratochwil, Jaron Löwenberg und Christoph Schüchner spielen die drei bedauernswerten Turbobeschleuniger, die dem Traum vom Glück vergeblich hinterherjagen, in Stephan Thiels Inszenierung, die in der Box des Deutschen Theaters Berlin gastierte und noch 2x (am 17. und 18. Oktober) im Theater unterm Dach zu sehen sein wird.

Für die eine sind die spöttisch hochgezogenen Mundwinkel des Projekt-Koordinationsmanagers auf die Dauer so unerträglich, dass sie in ihrer Agentur kündigt und sich lieber selbständig macht. Der Neustart endet absehbar im Fiasko: dauertelefonierend preist sie ihr Anti-Gleichgültigkeits-Konzept an, während ihr arbeitsloser Mann orientierungslos zwischen Kühlschrank, Fernseher und Baumarkt schlurft. Der Dritte im Bunde ist ein Künstler, der ständig twittert oder mit seiner Kuratorin telefoniert, aber bei seinem Skulpturen-Projekt „X-Freunde“ nicht vom Fleck kommt.

Die Inszenierung kreist 90 Minuten lang um die Neurosen durchaus realistisch dargestellter Großstädter. Bissige Dialoge und hingeknallte Satzfetzen wechseln sich ab. Kritisch bleibt anzumerken, dass auch dieser Abend Gefahr läuft, in seinem Hamsterrad auf der Stelle zu treten. Die Botschaft ist schnell angekommen, wird nur immer wieder neu ausgepinselt: Tillmann Strauß und Jule Böwe haben das Drama der ständig super-busy um sich selbst rotierenden Jobnomaden und Workaholics in Falk Richters Zeitdiagnosen-Choreographie „Never forever“ in einem kurzen Sketch prägnanter und unterhaltsamer vorgeführt.

Trailer

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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