"Serotonin", Schauspielhaus Hamburg

Theater-Kritik Falk Richter drischt auf die armseligen Houllebecq-Figuren ein.

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Die Sympathien des Regisseurs Falk Richter sind klar verteilt: Eine gefühlte Stunde lang zappelt das arme Würstchen in vierfacher Ausführung (Jan-Peter Kampwirth, Carlo Ljubek, Tilman Strauß, Samuel Weiss) vor sich hin und wird in all seiner Erbärmlichkeit im Bademantel vorgeführt.

In ermüdender Ausführlichkeit und mit dem für den suchtkranken französischen Autor Michel Houellebecq typischen sehr hohen Nikotinanteil arbeiten sie sich – mal in verteilten Rollen, mal in von Christine Groß einstudiertem Chor – durch die larmoyante Suada dieses depressiven, gehässigen, alten Mannes. Die übelsten Zoten und Abwertungen von Frauen und Homosexuellen, ohne die Houllebecq nicht auszukommen scheint, erspart uns Falk Richter zum Glück. Im Hintergrund flimmert ein assoziatives Bildergewitter aus Schnipseln von Marine Le Pen, Spermien, Nouvelle Vague-inspirierten Großaufnahmen, die aus einem Truffaut-Film spielen könnten. Bilder, die nicht weiter stören, aber auch nur mehr oder minder gut zu den Monologen auf der Bühne passen.

Endlich kommen Josefine Israel und Sandra Gerling, die das zähe Lamento des vierfachen Houllebecq-Alter Egos Florent-Claude von den Logen aus ironisch belächeln, auf die Bühne und legen ihren Rap aufs Parkett. Dankbaren Szenen-Applaus für die Energie, die sie in den Abend pumpen.

Es ist ein Rätsel, warum sich so viele Theater zu Beginn dieser Spielzeit so leidenschaftlich auf Houellebecq stürzen. Am Ende dieser meist sehr langen Auseinandersetzung mit den narzisstisch um sich selbst kreisenden Romanvorlagen steht jeweils nur die Erkenntnis, was für ein jämmerliches, armseliges Würstchen die Hauptfigur ist.

Der Vorteil der Hamburger „Serotonin“-Uraufführung, die zwei Tage vor der „Ausweitung der Kampfzone“-Adaption des Deutschen Theaters Premiere hatte, war allerdings, dass sie bei weitem nicht so fahrig und unentschlossen war wie die Berliner Inszenierung, die sich zu sehr verzettelte.

Ausführliche Kritik mit Bildern

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