Leicht hätte der Abend als bemühtes Agitprop-Theater schiefgehen können. Aber Christiane Roesinger gelingt es, die Balance zu wahren. „Stadt unter Einfluss“ argumentiert in seiner Kritik messerscharf und mit dem nötigen Biss. Meist in wunderbar unterhaltsamen Songs, die ironisch auf Schlager von Helene Fischer bis Matthias Reim oder die Arbeiterkampf-Liedertradition und Brechts Lehrstücke anspielen. Die authentischen kurzen Erfahrungsberichten einzelner Aktivist*innen aus Kreuzberg und Neukölln sind in die Musical-Handlung geschickt eingebunden und sind deshalb zwar eindringlich, aber nie plakativ mit dem Holzhammer.
In seiner aufklärerischen Mission und in seiner Wut über die Zustände verliert „Stadt unter Einfluss“ glücklicherweise nie die nötige Selbstironie und Reflektiertheit. Dem Abend gelingt es deshalb, seine Botschaft sehr klar zu adressieren, dabei aber nie in verbissenes Eiferertum abzudriften, sondern nicht nur zu informieren, sondern auch glänzend zu unterhalten.
Das Musical reflektiert die Verzweiflung und das Gefühl des Alleingelassenseins. Chorisch stehen sich die beiden prototypischen Reaktionen der betroffenen Mieter*innen gegenüber: „Man kann eh nichts tun“ versus „Lasst es uns gemeinsam anpacken“. Welche Position am Ende die Oberhand behält, ist absehbar, aber dramaturgisch schlüssig aufgebaut.
„Stadt unter Einfluss – das Musical zur Wohnungsfrage“ ist deshalb politisches Volkstheater im besten Sinne – aus und für Kreuzberg. Zurecht wurde die Premiere mit häufigem Szenenapplaus begleitet und zum Schluss mit langem Beifall bedacht.
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