"Tartüff" und "Hamlet": in die erste Reihe?

Monbijoutheater Unterhaltsame Klassikerbearbeitungen nach Molière und Shakespeare sind auch in diesem heißen Sommer wieder neben der Strandbar Mitte an der Spree zu erleben.

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An Tagen wie diesen, an denen die Sahara-Hitze neue Allzeit-Rekorde knackt, lädt das Sommertheater zu einem Besuch ein. Vor allem wenn es so schön gelegen ist wie das Monbijoutheater, das unter dem früheren Namen Hexenkessel Hoftheater noch bekannter sein dürfte: neben der Strandbar Mitte an der Spree, gleich gegenüber vom Bodemuseum, werden in dieser Saison zwei Klassiker im Doppelpack angeboten: Tartüff und Hamlet.

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Strandbar Mitte mit Blick auf Spree und Bode-Museum; © Bernd Schönberger

Das Sommertheater wird zwar oft geschmäht, zuletzt in dieser Kolumne, dennoch haben sich auch an diesem Abend so viele Besucher vorgenommen, sich ein eigenes Bild zu machen, dass das Amphitheater sehr gut gefüllt ist.

Den Tartüff bringen Regisseur Darijan Mihajlović, der neben seiner Arbeit als Theater- und Opernregisseur sowie als Professor auch schon serbischer Kulturstaatssekretär war, und sein katalanischer Dramaturg Maurici Farré, der von seinen Heiner Müller-Arbeiten an der Volksbühne bekannt sein könnte, recht frei nach Molière auf die Bühne: die Hilflosigkeit, mit der Orgon und seine Familie dem Heuchler so sehr auf den Leim gehen, dass sie ihm sogar den gesamten Besitz überschreiben, bietet dem Regieteam und dem Ensemble einige Steilvorlagen für einen turbulenten Abend.

Wild wuseln sie durcheinander, toben über die Ränge, schleichen sich auch mal ins Publikum. Denjenigen, die bei der freien Platzwahl mutig nach ganz vorne gingen, rücken die Schauspielerinnen und Schauspieler auch ganz hautnah auf die Pelle. Köpfe werden gestreichelt, Küsse angedeutet und Lektionen erteilt: „Erste Reihe ist immer Scheiße“, stichelt der Darsteller der Madame Pernelle, der sich als Rampensau besonders lustvoll ins Publikum wirft, aber früh verschwindet.

Die Szene, als Orgons Frau Elmire dem Tartüff eine Liebes-Falle stellt, bietet besonders viel Raum für Komödienspaß, der sich dann auch gerne in derbere und zotige Regionen vorwagt.

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Tartüff (Roman Kanonik) in der Liebesfalle von Elmire (Franziska Hayner); © Bernd Schönberger

Der Spuk endet, als der Sonnenkönig auf großen Stelzen hereinschreitet und die Familie per Dekret von Tartüff befreit, den Roman Kanonik als Mischung aus „Teddybär und Arschloch“ spielt, wie Friedhelm Teicke in der zitty schrieb.

Etwas weniger drastisch geht es bei der Tragödie des Dänenprinzen Hamlet zu, die Gabriele Blum und Peter Kaempfe von der bremer shakespeare company mit nur drei Schauspielerinnen und Schauspielern stemmen. Hausmeister Olsen weist das Publikum ein, wie es das neue Königspaar mit den verteilten rot-weißen Fähnchen zu bejubeln hat, und stöhnt am Ende darüber, dass er schon wieder so viel Blut wegwischen muss.

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Hamlet: zu dritt teilen sie sich alle Rollen; © Bernd Schönberger

Die drei Akteure wechseln flink die Rollen: die Gertrud muss auch den Polonius und den Rosenkrantz übernehmen, der Hamlet ist im nächsten Moment Güldenstern und ganz am Ende Fortinbras. Auch dieser Dramen-Klassiker schnurrt ebenso wie Tartüff auf gut verdauliche, unterhaltsame 90 Minuten zusammen.

Das Sommertheater im Monbijoupark ist nicht nur willkommene Abwechslung für Theatergänger, die im Sommer nicht nur unter der Hitze, sondern auch unter den Entzugserscheinungen der Spielzeitpause der großen Häuser leiden, sondern eignet sich auch als Einstiegsdroge für alle, die ihre Schwellenangst überwinden und sich in einem schönen Ambiente an die klassischen Stoffe und die Freude am Theater heranwagen möchten.

Der Text ist zuerst hier erschienen: http://kulturblog.e-politik.de

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