"Taxi Teheran": philosophisches Roadmovie

Berlinale-Gewinner Heute startet "Taxi Teheran" in den Kinos. Jafar Panahi hat seit Jahren mit Zensur und Berufsverbot zu kämpfen, dennoch ist ihm erneut ein sehenswerter Film gelungen.

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Wesentlich ruhiger als bei Victoria, dem anderen großen Hit des Eröffnungswochenendes der Berlinale 2015, aber nicht weniger interessant ging es bei Jafar Panahis neuem Film Taxi zu.

Von Meisterwerken wie Offside (Silberner Bär, 2006) fühlte sich das iranische Regime so sehr provoziert, dass der Regisseur Panahi 2010 zu zwanzig Jahren Berufs- und Reiseverbot verurteilt wurde. Dennoch findet Panahi immer wieder Mittel und Wege, alle Schikanen zu unterlaufen und Filme auf die großen internationalen Festivals zu schmuggeln.

Panahis neuer Film Taxi, der heute unter dem Verleihtitel "Taxi Teheran" in den Kinos startet, ist ein mit hinter dem Armaturenbrett eines Teheraner Sammeltaxis versteckter Kamera gefilmtes philosophisches Roadmovie über Zensur und künstlerische Freiheit.

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Regisseur Jafar Panahi mit Taxi-Fahrgast; © Weltkino Filmverleih

Langsam schleicht sich der Film an sein zentrales Thema heran. In der ersten Stunde unterhält er mit skurrilen Momentaufnahmen und giftigen Dialogen zwischen den Taxi-Mifahrern: ein Straßenräuber diskutiert mit einer verschleierten Lehrerin über die Todesstrafe, zwei abergläubische Frauen müssen ihre Goldfische unbedingt zu einer bestimmten Uhrzeit in einem Teich aussetzen.

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Zwei aufgeregte Damen und ein Goldfisch; © Weltkino Filmverleih

Als man denkt, dass der Film langsam redundant wird, spricht er das bis dahin nur zwischen den Zeilen erkennbare Thema Meinungsfreiheit auch offen an. Dies übernehmen eine Menschenrechtsanwältin, die gerade auf dem Weg zu einer inhaftierten Mandantin ist, und die Nichte des Regisseurs, die mindestens ebenso pfiffig ist wie ihr prominenter Onkel Jafar Panahi.

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Jafar Panahis Nichte Hana Saeidi; © Weltkino Filmverleih

In diesen Dialogen geht es um die für Künstler und NGOs im Iran überlebenswichtige Frage, wo die Grenzen des Sag- und Zeigbaren liegen. Die Nichte legt mit kindlich-schlauen Fragen zu ihrem Schulprojekt, für das sie einen Film mit Handkamera drehen soll, den Finger in die offenen Wunden. Die Anwältin beleuchtet das Thema analytischer aus ihrer Praxis, bevor der Film in einer überraschenden Pointe endet.

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Menschenrechtsaktivistin und Anwältin Nasrin Sotudeh
© Weltkino Filmverleih

Taxi zählte zu den gelungenen Filmen an diesem Berlinale-Eröffnungswochenende, der Tagesspiegel fand ihn sogar „brillant“.

Der Text basiert auf einer Bilanz des Eröffnungs-Wochenendes der Berlinale 2015, die im Februar hier erschienen ist: http://kulturblog.e-politik.de

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