"The Shape of Water"

Film-Kritik Die Fantasy-Romanze ist einer der großen Oscar-Favoriten. Was sagt das über den Zustand von Hollywood?

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"The Shape of Water"

Foto: Twentieth Century Fox Film Corporation

Parallel zur Berlinale startete einer der großen Oscar-Favoriten (mit 13 Nominierungen) und der Gewinner des Goldenen Löwen in Venedig 2017 in den deutschen Kinos. Guillermo del Toros neuer Film „The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers“ ist ein eigenwilliger Hybrid aus Fantasy-Romanze und Kalter Kriegs-Geheimdienst-Kolportage.

Im Zentrum des Film steht erstens die stumme, aber nicht taube Putzfrau Elisa, die in einer Forschungseinrichtung des militärisch-industriellen Komplexes in Baltimore ganz unten in der Befehlskette steht. Sally Hawkins ist diese Rolle einer Frau, die tragikomisch durch ihr anstrengendes Leben stolpert, wie auf den Leib geschrieben. Guillermo del Toro achtete darauf, dass auch die gesamte Einrichtung der Räume den biederen Zeitgeist der späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre atmet.

Die zweite zentrale Figur ist das namenlose Amphibienwesen (Doug Jones), das optisch wie ein entfernter Verwandter von Ridley Scotts „Alien“ und James Camerons „Avatar“-Kolonie wirkt. Fasziniert wie E.T. besucht dieses Wesen einen Kinosaal, in dem es einen Bibel-Monumentalschinken verfolgt, wie er damals typisch war. Es genießt Streicheleinheiten, beißt aber im nächsten Moment der Hauskatze den Kopf ab.

Der dritte wichtige Protagonist ist Sicherheitschef Strickland (Michael Shannon), der dieses unbekannte Wesen einer Vivisektion unterziehen will, um damit neue Erkenntnisse für das Wettrüsten gegen die Sowjets im All zu bekommen, und solange mit seinem Elektroschlagstock traktiert, bis Elisa gemeinsam mit dem KGB-Doppelagenten Hoffstettler (Michael Stuhlbarg), ihrer schwarzen Putzfrauen-Kollegin Zelda (Octavia Spencer) und ihrem Nachbarn Giles (Richard Jenkins) eine Befreiungsaktion inklusive Verfolgungsjagden durchzieht. Elisa bringt ihren neuen Liebhaber, das Amphibienwesen, in ihrer Badewanne unter.

Die Kritik an „The Shape of Water“ liegt auf der Hand: Der Film ist ein romantisches, am Ende regelrecht kitschiges Fantasy-Märchen, das aus der Realität doppelt flüchtet, zum einen in die Welt der Fabelwesen und Aliens, zum anderen in die spießig-übersichtliche Welt des Kalten Krieges um 1960.

Es ist schon auffällig, wie stark sich viele Favoriten der Hollywood-Oscar-Academy in diesem Jahr Zuflucht bei der Innerlichkeit suchen. Gesellschaft und Filmbranche sind durch metoo-Debatte und Donald Trumps Präsidentschaft aufgewühlt. Auf der Leinwand erleben wir dagegen Filme wie „Call me by your name„, „Der seidene Faden“ und „The Shade of Water“, die sich in Romanzen und/oder Traumwelten flüchten. Dabei verströmen sie ebenso erlesene Langeweile wie das Churchill-Epos „Die dunkelste Stunde", das sich aus der Gegenwart ebenfalls in eine heile Vergangenheit zurücksehnt und ein idealisiertes Heldenbild voller Patina pinselt. Erfreuliche Ausnahmen von diesem Trend sind immerhin „Three Billboards outside Ebbing, Missouri“ und „Die Verlegerin“.

Eine interessante Lesart zu „The Shape of Water“ schlug Philipp Stadelmeier in seiner SZ-Besprechung „Adieu, weißer Mann“ vor. Er arbeitet heraus, dass Strickland als „autoritärer Hetero-Tyrann“ gezeichnet wird, der eine „faschistoide Verachtung für jegliche Form von Freundlichkeit und ethischer Sensibilität“ an den Tag legt und am Ende als großer Verlierer dasteht. Dieser Erzählstrang ist richtig beobachtet, macht das Fantasy-Märchen in seiner Gesamtbetrachtung aber auch nicht wesentlich interessanter.

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